Runen
erschienen war.
Trotz der Dunkelheit am Berg gab Sexton auf dem unbeleuchteten Weg wieder kräftig Gas, als sähe er bestens mit der seltsamen Brille, die an seinem Helm befestigt war. Das Motorrad legte sich in den scharfen Kurven gefährlich schräg, aber Melkorka ließ sich davon nicht beirren. Sie hielt sich noch mehr fest und fühlte das Adrenalin durch ihren Körper strömen.
Vor dem Tunnel zum Aufzug drehte Sexton einige Runden auf dem Parkplatz. Der Tunnel war versperrt, so wie sie es vermutet hatten.
»Jetzt halten Sie sich fest«, forderte er sie auf, verließ in geringem Tempo den Parkplatz und bog nach links auf einen Bergpfad ein, der sich in engen Windungen die steile Bergflanke bis zum Kehlsteinhaus hinaufwand. Steinchen spritzten unter den Rädern hervor, als er erneut kräftig Gas gab.
Melkorka klammerte sich krampfhaft an Alan fest. Sie musste höllisch aufpassen, dass sie in den engsten Kurven nicht vom Sitz geschleudert wurde.
Sexton wusste offenbar ganz genau, was er tat. Das Motorrad und er wurden eins. Offenbar war er ein sehr erfahrener Geländefahrer.
In für Melkorka erstaunlich kurzer Zeit waren sie vor |225| dem Adlerhorst angekommen. Sexton stellte den Motor aus und stieg ab.
»Keine üble Rennstrecke«, bemerkte er.
»Phantastisch«, meinte Melkorka, der das Herz bis zum Hals schlug.
»Warten Sie nur, bis wir da wieder runterfahren«, fügte Sexton hinzu und verzog spöttisch einen Mundwinkel. »Das wird erst richtig lustig.«
Tief unten konnten sie die Lichterpracht der Ortschaften im Tal sehen: von Salzburg in der Ferne bis hinüber zum Königssee. Zwischen den nächtlich dunklen Wolken über den mächtigen Bergmassiven, die den Kehlstein umgaben, funkelten die Sterne.
Sexton gab durch sein Handy einen kurzen Befehl, während sie sich der massiven Tür an der Nordostseite des Adlerhorstes näherten. Sie war verschlossen.
Jemand öffnete von innen und ließ sie ein.
Es war Jack Powell, Sextons junger, unauffälliger Assistent. Er hatte sich am Abend vor der Schließung des Restaurants in einem der Lagerräume verborgen gehalten.
»Schließ wieder ab«, raunte ihm Alan zu, als sie eingetreten waren. Er schaltete eine Taschenlampe ein und wandte sich an Melkorka:
»Wohin jetzt?«
Sie ging den beiden voran in den Speiseraum, den Schutzhelm in Händen.
»Und jetzt?«
Melkorka lächelte über die Ungeduld des Agenten, stieg zielstrebig die sechs Stufen zum Geschenk des
Duce
hinauf, blieb hinter dem Kamin stehen und deutete auf die beiden Ritter.
|226| »Großvater schreibt, dass die Ritter Himmlers Schatz bewachen«, flüsterte sie. »Das bedeutet, das Geheimfach liegt entweder hinter oder neben dieser Metallplatte.«
»Geben Sie Jack den Rucksack«, sagte Alan.
Melkorka nahm das Ding vom Rücken. Jack Powell ging in die Knie und öffnete ihn am Boden. Er nahm einen kleinen Laptop heraus und ein längliches, schwarzes Gerät, das sie nicht kannte. Dann schaltete er den Laptop ein.
»Ich bin bereit«, sagte er.
Sexton richtete das längliche Gerät auf eines der beiden Reliefs mit den Rittermotiven.
Auf dem Bildschirm sah Melkorka ein dreidimensionales Graustufenbild von der Wand hinter der Metallplatte. Das schwarze Ding war offenbar eine Art Georadar, der dicke Steinmauern durchdringen konnte.
»Hier ist nichts«, ließ sich Powell vernehmen.
»Ich bin mir aber ganz sicher«, widersprach Melkorka.
Alan hielt das Radar an den anderen Ritter. Auf dem Bildschirm erschien dasselbe Bild einer massiven Mauer.
»Nichts«, flüsterte Jack Powell.
Sie untersuchten die Wand zu allen Seiten der Metallplatte, bis sich das Bild auf dem Bildschirm plötzlich veränderte.
»Etwas weiter rauf!«
Melkorka atmete erleichtert auf, als endlich das Geheimfach vor ihren Augen erschien.
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Das Fach in der Steinmauer lag rechts von den zwei Rittern, die Himmlers Schätze im Kehlsteinhaus bewachten.
»Überprüf mal das Schloss«, sagte Sexton mit gedämpfter Stimme.
Jack Powell vergrößerte den Ausschnitt des schwarzweißen Bildes, das das Schloss des Faches zeigte.
»Ich glaube, dass diese Stange hier das Fach öffnet, wir müssen sie nur in die Mauer schieben.«
»Wo?«
»Zieh den Scanner ein wenig über das obere Ende der Platte. So, ja, dort hört die Stange auf.«
»Wo?«, wiederholte Sexton.
Sein junger Kollege lächelte plötzlich.
»Dort, unter dem Schweif des Pferdes, genau im After.«
»Wie humorvoll«, bemerkte Melkorka.
»Ich brauche den schmalsten
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