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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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Dietrich, den du in der Werkzeugtasche findest«, sagte Powell.
    Er tastete mit der Eisenspitze einen kleinen Bereich unter dem Pferdeschweif ab, bis er auf eine winzige, sorgfältig verborgene Öffnung stieß.
    »Hier ist das Loch«, murmelte er, zog ein robustes Messer aus seinem Gürtel und klopfte mit dem Handgriff auf den Dietrich.
    Aus dem Mauerinneren drangen ein gedämpfter Laut, |228| dann ein hohles Kratzen, als sich einer der Steine neben der Metallplatte herausschob.
    Sexton ließ sich vor der Mauer auf die Knie nieder. Als er den Stein vorsichtig zu sich zog, erschien das Fach.
    Er griff nach den drei braunen Umschlägen, die hier mehr als sechs Jahrzehnte lang verborgen gewesen waren, und steckte sie ungeöffnet in den schwarzen Rucksack.
    Sein junger Mitarbeiter fuhr den Laptop herunter und verstaute ihn mitsamt dem Röntgengerät ebenfalls im Rucksack.
    »Den nehme ich«, sagte Melkorka entschieden.
    Jack Powell zögerte, ihn freizugeben.
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte Sexton. »Sie begleitet mich in die Unterkunft hinunter.«
    Melkorka nahm den Rucksack schnell an sich, warf ihn sich über die Schulter und befestigte ihn sorgfältig mit dem Bauchriemen.
    »Wir teilen unsere Beute im Sommerhaus auf«, fügte Sexton hinzu.
    Er brachte das Geheimfach sorgfältig wieder in den Zustand, in dem sie es vorgefunden hatten, und begab sich eilends zum Ausgang.
    »Zeit zu verschwinden«, sagte er.
    Vor den mächtigen Steinmauern des Kehlsteinhauses trennten sich ihre Wege.
    Jack Powell joggte leichten Schrittes den Fußweg entlang nach Süden hinter das Haus, an einem hohen Kreuz vorbei, das zur Erinnerung an die beim Bau der Festung ums Leben Gekommenen errichtet worden war, und von da den Berg hinunter. Melkorka und Sexton beeilten sich, zu ihrem Motorrad zu gelangen, das vor dem Haus auf sie wartete.
    |229| Eine sternenklare Nacht lag über den bayerischen Alpen. Nur der Mond trug einen dicken Wolkenschleier.
    Als der Amerikaner den Motor angelassen hatte, setzte sich Melkorka hinter ihn und hielt sich an ihm fest wie zuvor.
    »Kann losgehen«, sagte sie.
    Langsam fuhr Sexton den schmalen, gewundenen Fußweg hinunter, beschleunigte aber desto mehr, je weiter sie nach unten kamen.
    Melkorka hegte keinerlei Argwohn, als das Unglück passierte.
    |230| 48
    Gelassen und sicher steuerte Sexton das Motorrad den steilen Bergpfad hinunter. Bis er plötzlich ohne Vorwarnung vom Sitz gerissen wurde, als hätte ihn ein heftiger Schlag getroffen. Melkorka blieb buchstäblich die Luft weg, als sie beide durch eine rohe Gewalt vom Motorrad gefegt wurden. Im Sturz sah sie, wie sich das PS-starke Fahrzeug mit dem noch rotierenden Rad hoch in die Luft katapultierte, bevor es über die Felskante flog, sich mehrmals überschlug und in den Abgrund stürzte.
    »Um Gottes willen!«
    Melkorka zog vor Schreck die Hände schützend an sich, um den heftigen Aufprall abzumildern. Dabei ließ sie Sexton los.
    Sie prallte mit dem Rücken gegen die raue Felswand, stürzte dann kopfüber einige Meter in die Tiefe und landete höchst unsanft auf einem Haufen Geröll. Der robuste Schutzhelm rettete ihr das Leben.
    Eine ganze Weile lag Melkorka verwirrt und benommen auf den Felsen. Sie versuchte sich darüber klarzuwerden, was eigentlich passiert war. Zwischen mächtigen Wolkentürmen funkelten Sterne in unendlichen Weiten. Der Mond hielt sich verborgen, so dass sein bleiches Licht die finster aufragenden Berggipfel um den Adlerhorst nicht mehr beschien.
    |231| Sie drehte sich auf den Bauch und sah Sexton weiter unten bewegungslos an der äußersten Kante des Bergpfades liegen. »Alan?«, rief sie. Ihre Stimme zitterte.
    Da er ihr nicht antwortete, kroch Melkorka auf allen vieren den Pfad hinunter. Sie ergriff Sexton an den Schultern, drehte ihn um und sprach ihn erneut an. Doch nur dumpfes Stöhnen kam als Antwort.
    Für einen Moment brach helles Mondlicht zwischen den Wolken hindurch. Es tauchte den Kehlstein in ein gespenstisches Licht, in dem das steingraue Stahlseil schwach aufglänzte, das etwa einen Meter über dem Boden quer über den Pfad gespannt worden war.
    Voll Entsetzen erkannte Melkorka, dass ihre Hände über und über blutig waren.
    Allmählich ging ihr ein Licht auf: Jemand hatte ihnen eine Falle gestellt.
    Sie versuchte aufzustehen. Dann aber zögerte sie. Ein kleingewachsener Mann in Kapuze näherte sich ihr im fahlen Mondlicht.
    Die Angst vor dem Attentäter verlieh ihr neue Kräfte. Sie konnte sich hochziehen und

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