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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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Sedimentlagen tausend Jahre lang verborgen gehalten worden. Die Öffnung war breit und voll Scharten. Sie wirkte wie der Totenschädel eines ausgestorbenen Urzeitmonsters.
    Ohne zu zögern, schwamm Jack Powell als Erster in den Höhleneingang hinein.
    Alan Sexton bedeutete Melkorka mit Handbewegungen, dass sie vor ihm bleiben sollte. Er wollte die Nachhut bilden.
    Mitten im Höhleneingang verharrte sie für eine Weile. Sie starrte in die pechschwarze Dunkelheit vor ihr, die jeden Lichtschein verschluckte. Melkorka überlegte, ob in diesem finsteren Schlund irgendetwas Anderes und Bedeutsameres zu finden sein mochte als Lavagestein, Wasser und lichtscheue, bleiche Unterwasserwesen.
    Lag hier wirklich der unauffindbare Weg vor ihr, den ihr Großvater jahrelang vergeblich gesucht hatte? Der Weg zu den verschollenen mythischen Geheimnissen der altnordischen Götter? Der Weg zu Mímirsbrunnur und Urðarbrunnur? Der Weg zu den Quellen des Lebens und der Weisheit?
    Melkorka stieß sich mit den Flossen vorwärts und schwamm entschlossen an den Unterwasserscheinwerfern vorbei in den Schlund hinein. Es war eine Lavahöhle mit niedriger Decke.
    Sie machte sich keine Gedanken darüber, ob sie sich in Gefahr befand. Ganz im Gegenteil hätte sie jetzt laut aufjubeln |346| wollen vor Freude. Sie war auch mit ihrem Großvater in Meereshöhlen im Felssockel von Heimaey gewesen. Sie hatte keine Angst vor der Dunkelheit vor sich, zumal sie sich nur umzusehen brauchte, um den grellen Schein der Unterwasserstrahler zu sehen, der ihr den Weg zurück in den Þingvallavatn wies.
    Bill und Jake hatten einen weiteren starken Scheinwerfer etwa fünfzig Meter weiter in der Höhle angebracht, wo auch einige Taucherflaschen bereitlagen. Gleich dahinter gabelte sich die Höhle in zwei getrennte Gänge.
    Melkorka blickte auf den selbstleuchtenden Kompass an ihrem Arm. Sie stellte fest, dass ein Gang nach Nordosten verlief, der andere nach Nordwesten.
    Powell bedeutete ihnen, dass er den nordöstlichen Gang erkunden wollte. Sexton befahl Melkorka mit beiden Händen, dass sie seinem Assistenten nachfolgen sollte. Er selbst schwamm in den nordwestlichen Gang.
    Melkorka und Powell waren nur sieben oder acht Meter in den Gang vorgedrungen, als er sich stark verengte. Der weitere Weg bestand aus einem Schlauch von etwa einem Meter Durchmesser. Ohne haltzumachen, schob Powell sich durch die Engstelle.
    Melkorka wartete, bis er sich hindurchgezwängt hatte und in dem dahinterliegenden Höhlenraum angekommen war, der bedeutend größer schien. Von da gab er ihr ein Zeichen zu folgen.
    Die Engstelle war etwa vier Meter lang. Dahinter lag ein ausgedehnter Hohlraum. Melkorka glitt an rauem, grobem Gestein entlang, aber der Lichtstrahl ihres Kopfscheinwerfers konnte weder eine Decke noch einen Boden finden, geschweige denn eine gegenüberliegende Wand. Ihr wurde |347| sofort klar, dass sie viel stärkere Scheinwerfer benötigten, um Größe und Form dieser Höhle zu erfassen. Besonders wenn sie das weitaus Wichtigere erforschen wollten: ob sie einen oder mehrere Ausgänge hatte.
    Als Melkorka sich umwandte, durchfuhr sie ein jäher Schreck. Der Lichtschein ihres Mittauchers war nirgends zu sehen. Wo konnte Powell hingeschwommen sein?
    Sie schob sich mit dem Rücken gegen die Höhlenwand und schaute nach oben und unten, ob der Amerikaner etwa auf der Suche nach der Höhlendecke oder dem Grund war. Aber sie konnte ihn nirgends sehen. War er durch die Engstelle zurückgeschwommen, um stärkere Scheinwerfer zu holen?
    Sie tastete sich am Gestein entlang zu dem Durchschlupf und sah hinein. Zu ihrer Erleichterung sah sie Powell auf der anderen Seite. Er bedeutete ihr mit der rechten Hand, in der großen Höhle zu warten.
    Sie richtete sich senkrecht auf und begann, die Felswand oberhalb der Öffnung zu der Engstelle zu erkunden, bis sie mit den Händen gegen die Höhlendecke stieß. Sie lag mindestens fünf Meter über der Öffnung. Da wurde ihr klar, dass diese Höhle völlig mit Wasser gefüllt war. Es gab nicht den geringsten Luftraum.
    Als Melkorka sich langsam wieder nach unten sinken ließ, hörte sie plötzlich dumpfes Donnergrollen. Dem Lärm folgte eine starke Bewegung des Wassers. Wie in starker Brandung warf es sie hin und her.
    Was war das? Ein Erdbeben?
    Instinktiv drückte sie sich dicht gegen die Felswand, um nicht von einem Wasserwirbel mitgerissen zu werden. Dort wartete sie ab, bis sich das Wasser beruhigt hatte.
    |348| Als die Unruhe nachließ, sah

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