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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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weitere Einwände gegen ihren Plan. Aber er machte sich große Sorgen um Melkorka und rief sie an diesem Morgen in kurzen Abständen auf dem Handy an, auch wenn er jedes Mal nur die Mailbox vorgeschaltet bekam.
    Schließlich setzte er sich an den Rechner und scrollte durch ausländische Nachrichtenseiten. Eine kleine Meldung aus der
New York Times
erregte seine Aufmerksamkeit:
     
    KRIEGSVERBRECHER ENTTARNT?
     
    Heute Morgen stießen Frühaufsteher unter den Passanten in der Stadt Edmonton in Kanada auf die Leiche eines alten Mannes, der in einem Stadtpark an eine Eiche gebunden war. Über dem Kopf des Mannes war ein Schild mit folgender Aufschrift befestigt:
     
    Gerhard von Ramstein
    Deutscher Kriegsverbrecher
    1918 –2007
    Endlich Gerechtigkeit
     
    Um den Hals des Mannes hing eine verschlossene Mappe aus Kunststoff. Darin waren Dokumente, über deren Inhalt sich die Polizei in Edmonton gegenwärtig den Medien gegenüber noch ausschweigt. Von Passanten |342| mit Handys aufgenommene Bilder der Leiche haben sich dagegen schon auf YouTube und anderen Internetseiten im Netz schnell verbreitet.
    Einer Auskunft des Simon-Wiesenthal-Zentrums zufolge war ein deutscher Generalfeldmarschall dieses Namens, Gruppenführer Gerhard von Ramstein, von den Alliierten im Herbst 1945 auf die Liste der gesuchten Kriegsverbrecher gesetzt worden. Er war am Einsatz Reinhard beteiligt gewesen, bei dem zwei Millionen Juden den Tod fanden. Von Ramstein konnte aber bisher nie aufgespürt werden. Man ging davon aus, dass er gegen Ende des Zweiten Weltkrieges umgekommen war.
     
    Sofort suchte Kári auf YouTube nach Bildern des Leichenfundes. Sie zeigten einen alten Mann, der mit einem Seil um den Hals an einem massiven Baumstamm festgebunden war. Auf dem Schild über seinem grauen, zerzausten Haarschopf waren die Anschuldigungen mit großen schwarzen Buchstaben aufgeschrieben.
    Kári erschrak bis ins Mark über diese Nachricht. Wenn das alles stimmte, dann war Gerhard von Ramstein tatsächlich im Winter 1944/45 mit der U-703 nach Amerika gelangt und hatte sich seither in Kanada verborgen gehalten, wo sein Sohn ein mächtiger und einflussreicher Finanzmagnat geworden war. Kein Wunder, dass der Milliardär ein so brennendes Interesse an Höskuldur Steingrímssons Tagebüchern und den Dokumenten im Kehlsteinhaus gezeigt hatte. Er hatte allen Grund zu befürchten, dass brandneue Enthüllungen zur letzten Seereise der U-703 das Geheimnis um seinen Vater aufdecken würden. Des |343| deutschen Kriegsverbrechers, der sich dieser Meldung zufolge jenseits des Ozeans mehr als sechs Jahrzehnte hatte verbergen können. Wahrscheinlich unter dem Schutz der Familie Melville.
    Kári schwante, dass sich Melkorka in großer Gefahr befand. Er rief sie immer wieder an. Doch auch jetzt hörte er jedes Mal nur die Computerstimme antworten. Seine Nachricht an sie war kurz und bündig:
    »Ruf sofort zurück! Um Himmels willen, ruf sofort zurück!«
    |344| 76
    Die beiden Taucher streckten die Köpfe neben den Schlauchbooten aus dem Wasser. Sie reichten Alan Sexton und Jack Powell die Taucherflaschen und die Gewichte hoch und hievten sich dann selbst in die Boote.
    »Unten ist alles klar für eine Erkundung der Höhle«, beschied Jake und wischte sich erschöpft die Stirn. »Die Reserveflaschen liegen vom Höhleneingang aus gesehen fünfzig Meter höhleneinwärts.«
    Melkorka schnallte sich eilends ihre eigene Reserveflasche an, legte das Atemgerät an, steckte sich das Mundstück zwischen die Lippen und regelte den Sauerstoffzufluss. Dann schlüpfte sie in die Taucherflossen, band sich den Bleigürtel um, setzte die Taucherbrille und die Stirnlampe auf und ließ sich rückwärts ins Wasser fallen. Sie schwamm unter das Boot, ergriff dort die Leine und wartete, bis Sexton und Powell ihr voraus in die Tiefe abtauchten.
    Behutsam ließ sie sich auf den Grund des Sees sinken. Dabei achtete sie penibel auf den Druckausgleich, der sie immer wieder zu kurzen Zwischenstopps zwang. Als die Sicht im Wasser abnahm, ließ sie sich von den Lichtkegeln aus den Stirnlampen der beiden Amerikaner leiten. Sie strebten direkt auf ein tiefes Loch zu, das schräg abfiel. Es war durch die schlammigen Sedimente auf dem Seeboden |345| bis auf den felsigen Untergrund hinuntergegraben worden. Als Melkorka dem Felsengrund näher kam, konnte sie im kräftigen Licht der Strahler, die Jake und Bill zuunterst in dem Loch angebracht hatten, deutlich eine Höhlenöffnung erkennen. Sie war von den

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