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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hätte er sie mir verabreicht.«
Er wandte sich zu Sean um und sein Lächeln erlosch. »Ich
glaube, du hast Recht. Wenn Gwinneths andere Untertanen auch nur halb so mutig sind wie dieser Mann, dann
haben wir nichts zu befürchten.«
»Ich glaube, das haben wir ohnehin nicht«, meinte Sean,
auch wenn sein Gesichtsausdruck das Gegenteil behauptete.
»Wieso?«
»Seit gestern sind nicht nur Nahrungsmittel und Waffen
nach Tintagel gekommen, sondern auch Neuigkeiten«,
antwortete Sean.
»Von Artus?«
Sean nickte. »Es steht nicht gut um seinen Krieg.« Er
streckte noch einmal beide Hände über das Feuer, um die
Finger aneinander zu reiben, und ließ sich dann auf einen
Stuhl sinken, der unter seinem Gewicht ächzte.
»Camelot ist weit, aber Nachrichten haben Flügel und
sie sind schneller, je schlechter sie sind. Artus hat die Pikten drei Mal gestellt, und er wurde drei Mal geschlagen.«
»Drei Mal?«, ächzte Lancelot. Er hatte das ungeheuerliche Heer gesehen, das Mordred und Morgaine Le Faye
aufgestellt hatten, aber er kannte auch Artus und seine
Tafelritter und er wusste, wozu diese Männer imstande
waren. Er hatte mehr als einmal mit eigenen Augen mit
angesehen, wie sie gegen eine zehnfache Übermacht angetreten und gesiegt hatten.
»Etliche Königreiche haben sich von Artus abgewandt«,
fuhr Sean fort. Er lachte bitter. »Du weißt, wie sie sind:
Sie heulen mit den Wölfen, aber sobald ein Stärkerer
kommt, wechseln sie nur zu gern die Seite. Dem König
sind nicht allzu viele Verbündete geblieben. Und es heißt,
er habe die meisten und besten seiner Ritter fortgeschickt.«
»Ich weiß«, sagte Lancelot leise.
Einen Moment lang sah ihn Sean irritiert an, aber dann
schüttelte er heftig den Kopf. »Oh nein, nicht auf die Suche nach dir oder Gwinneth. Sie suchen etwas, das sie den
Heiligen Gral nennen.«
Lancelot starrte ihn an. »Den Heiligen Gral?«
»Es sind nur Gerüchte, ich weiß, und es fällt mir selbst
schwer, sie zu glauben«, erwiderte der Ire. »Andererseits
…« Er hob die Schultern. »Manchmal sind ja gerade die
hohen Herren für die verrücktesten Dinge gut. Ich weiß
nicht, was das sein soll: Der Heilige Gral , aber vielleicht
hofft Artus ja auf ein Wunder, jetzt wo ihn das Kriegsglück verlassen hat.«
Lancelot war verwirrt und über die Maßen bestürzt. Besser als Sean – vielleicht besser als jeder andere Mensch
auf der Welt – wusste er, was mit dem Heiligen Gral gemeint war. Wahrscheinlich war es Artus nur mit seiner
Hilfe möglich, das Kriegsglück zu wenden und damit dem
Land letztlich wieder den Frieden zu schenken, den es
verdient hatte.
Henry und sein Bruder kamen zurück, brachten einen
Krug Glühwein und einen Korb mit frisch gebackenem,
noch warmem Brot, das so verlockend duftete, dass sowohl Sean als auch Lancelot noch einmal kräftig Zugriffen, obwohl er ja gerade erst gefrühstückt hatte.
Während des Essens schwiegen sie, aber Lancelot entgingen nicht die verstohlenen Blicke, mit denen der Ire ihn
ab und zu musterte, und er nahm an, dass er seine Züge
nicht besonders gut in der Gewalt hatte, sodass es Sean
leicht fiel, in seinem Gesicht zu lesen.
Was er von Sean gehört hatte, sollte ihn beruhigen, denn
wenn diese Gerüchte stimmten, dann hatte Artus im Moment genug zu tun und würde kaum auf die Idee verfallen,
etwa ein Heer hierher zu schicken um Gwinneth zurückzuholen. Aber er empfand keine Genugtuung bei dem Gedanken, dass Artus und sein Reich in Gefahr waren.
Mochte die ganze Welt es anders sehen, er – und er war
sicher: auch Artus – wusste, dass Ritter Lancelot seinen
König niemals verraten hatte. Wenn Artus stürzte, dann
fiel auch Camelot, und das Land würde wieder in der Barbarei versinken, aus der der erste König Britanniens es vor
so langer Zeit herausgeführt hatte.
»Ihr seht nicht besonders zufrieden aus, Sir Lancelot «,
sagte Sean nach einer Weile, in der er Lancelot seinen
Gedanken überlassen hatte.
Lancelot war sicher, dass er die förmliche Anrede ganz
bewusst gewählt hatte, aber er ignorierte die Frage, die
sich hinter dieser Wortwahl verbarg, hob die Schultern
und deutete ein Kopfschütteln an. »Das bin ich auch nicht.
Doch jetzt lass uns über etwas anderes reden. Hast du schon
Nachricht von deinem geheimnisvollen Auftraggeber?«
Sean verneinte. Ihm musste klar sein, dass Lancelot diese Frage – deren Antwort er ganz genau kannte – nur aus
dem einen Grund gestellt hatte um das Thema zu wechseln.

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