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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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leiserer, trauriger Stimme fort: »Wenn der Schnee
schmilzt, wird Artus kommen.«
»Das ist nicht gesagt.« Lancelot schüttelte den Kopf, um
seine Worte – die nichts als Wunschdenken waren – zu
bekräftigen, glitt unter der Decke hervor und eilte mit raschen Schritten zum Bett, um seinen Kleider anzuziehen,
die daneben auf dem Boden lagen.
Es war nicht mehr die schäbige Kutte, die er bei seiner
Ankunft hier getragen hatte, aber auch nicht die Kleider
König Uthers. Die Diener hatten auf Gwinneths Anweisung hin neue Hemden und Hosen für Lancelot genäht, die
in ihrer Schlichtheit denen glichen, die er in seinem früheren Leben auf Camelot getragen hatte – in seinem Leben
als Küchenjunge und Diener, nicht in dem als Ritter – nur
von weitaus besserer Qualität waren. Obwohl sie niemals
darüber gesprochen hatten, wusste er, dass es Gwinneth
nichts ausgemacht hätte, ihn in Uthers Kleidern zu sehen.
Viele hier auf Tintagel hätten es sogar begrüßt, denn auch
wenn er alles andere als der legitime Herrscher dieser
Burg war, so war er doch der Mann an Gwinneths Seite,
und sie war die unbestrittene Königin Tintagels, ganz gleich
was irgendein ferner König im noch ferneren Camelot auch
sagen mochte. Doch ihm wäre es unangenehm gewesen und
Gwinneth hatte das wohl gespürt.
Nachdem er sich angezogen hatte, fror er fast noch mehr
als zuvor, denn die Kleider hatten während der Nacht auf
dem kalten Steinboden gelegen und waren eisig, aber der
Grund, aus dem er an den Kamin herantrat und die Hände
über die wärmenden Flammen ausstreckte, war ein anderer. Es war Gwinneths Frage, auf die er immer noch nicht
geantwortet hatte. Vielleicht würde sie ja nicht auf einer
Antwort bestehen, wenn er sie einfach ignorierte.
Natürlich tat sie es doch. »Er wird kommen«, sagte sie
nach einer Weile, leise und noch immer mit fast tonloser
Stimme und den Blick weiter starr aus dem Fenster gerichtet. Lancelot wandte sich nicht zu ihr um, aber er kannte
Gwinneth mittlerweile gut genug um den Ausdruck zu
spüren, der dabei in ihre Augen trat. »Artus wird niemals
aufgeben.«
»Artus ist damit beschäftigt, einen Krieg zu führen«, erwiderte Lancelot. »Selbst wenn er ihn gewinnt, wird es
lange dauern.«
»Und wenn nicht?«
»Das sollten wir uns nicht wünschen«, antwortete Lancelot. »Wenn Camelot fällt, ist ganz Britannien verloren.« Die
Worte taten ihm sofort wieder Leid. Er hatte nichts gesagt,
was Gwinneth nicht sowieso wusste, aber es war ein Unterschied, es zu wissen oder es auszusprechen. Er trat vom
Kamin zurück, hob Gwinneths Mantel auf, den sie – anders
als er – ordentlich über einen Stuhl neben ihrem Bett abgelegt hatte, und ging dann wieder zum Fenster. Gwinneth
blinzelte verwirrt, als er ihr mit sanfter Gewalt die dünne
Decke wegzog, unter der sie nackt in der Kälte zitterte, aber
dann lächelte sie dankbar, als er ihr stattdessen den warmen
Fellmantel um die Schultern legte.
»Gestern kam ein Bote mit Neuigkeiten.«
»So?« Lancelot war nicht neugierig darauf. Fast täglich
erreichten Nachrichten Tintagel, aber die wenigsten davon
waren angenehm.
»Angeblich ist der Vormarsch der Pikten zum Stehen
gekommen«, fuhr Gwinneth fort. »Weiter im Landesinneren scheint sich der Winter noch schlimmer auszutoben als
hier.«
»Ja, ja.« Lancelot suchte krampfhaft nach einem Vorwand, das Thema zu wechseln. »Es kämpft sich schlecht,
wenn einem die Hand am Schwert festfriert. Der Winter
lähmt auch den Krieg.«
»Vielleicht sollten wir uns wünschen, dass er niemals
vorübergeht«, murmelte Gwinneth. »Wenn Artus und seine Ritter geschlagen werden, dann ist nicht nur Camelot
verloren, sondern ganz Britannien.«
»Das wird nicht geschehen«, behauptete Lancelot.
»Glaub mir, Gwinneth, ich kenne Artus. Es wäre nicht das
erste Mal, dass er sich in einer scheinbar aussichtslosen
Lage befindet und am Ende doch den Sieg davonträgt.«
Gwinneth wollte widersprechen, aber Lancelot schüttelte
heftig den Kopf und fuhr mit leicht erhobener Stimme und
einem nicht ganz überzeugenden Lächeln fort: »Und ich
kenne auch die anderen Könige, schließlich habe ich sie
des Öfteren bedient.«
»Du meinst die, die sich feige von ihm abgewandt haben
und abwarten, während er und seine Ritter ihr Blut vergießen, um ihre Ländereien zu beschützen?«, fragte Gwinneth.
»Ja«, antwortete Lancelot. »Viele von ihnen sind feige
und vielleicht sogar hinterlistig – aber sie sind

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