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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Begleiter
legte ihm begütigend die Hand auf den Unterarm, schüttelte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches und die
beiden zogen ohne ein weiteres Wort ab. Lancelot durchquerte dagegen mit schnellen Schritten die große, zugige
Eingangshalle, trat endgültig aus dem Haus und blieb auf
der obersten Stufe der großen Freitreppe stehen.
Tintagel hatte sich verändert. Die Pferde, die er noch gerade vom Fenster seines Zimmers aus gesehen hatte, waren verschwunden, vermutlich schon in die Ställe geführt,
aber die beiden Fuhrwerke standen noch da und warteten
aufs Entladen. In der zur Hofseite hin offenen Schmiede
prasselte ein Feuer, das heiß genug war, um den Schnee
im Umkreis von fünf Schritten zum Schmelzen zu bringen, und als er zwei Schritte zur Seite trat und einen Blick
durch das weit offen stehende Tor warf, konnte er ein weiteres, von Ochsen gezogenes Fuhrwerk erkennen, das sich
dem schmalen Felsenweg zur Festung hinaufquälte. Er sah
jetzt nicht mehr so viele Menschen wie gerade, aber er
hörte überall Stimmen und die Geräusche hektischer Betriebsamkeit. Ja, Tintagel war zum Leben erwacht.
Und im gleichen Maße, in dem er dies begriff, fühlte
sich auch Lancelot plötzlich wieder so lebendig wie schon
seit langem nicht mehr. Es war bitterkalt. Der Himmel
hing tief und die bauchigen grauen Wolken, die nahezu die
höchsten Zinnen Tintagels zu berühren schienen, versprachen weiteren Schnee. Als er genauer hinsah, erkannte er
überall die Anzeichen des Verfalls, der sich bereits in den
Mauern der Burg eingenistet hatte, und dennoch spürte er,
dass es hier vor Leben nur so brodelte. Es kam ihm beinahe so vor, als würde die ganze gewaltige Festung vor Anspannung und Vorfreude vibrieren; wie ein edles Rennpferd, das nach viel zu langer Wartezeit endlich wieder
aus dem Stall geführt wurde.
»Dulac!«
Lancelot sah sich verwirrt um, als er jemanden seinen
Namen rufen hörte. Im ersten Moment entdeckte er niemanden, dann aber erscholl die Stimme zum zweiten Mal
und Lancelot legte den Kopf in den Nacken und blinzelte
zur Festungsmauer hinauf. Hoch über ihm, mehr als zwanzig Meter schätzte er, stand eine bärtige Gestalt in einem
schwarzen Fellmantel hinter den Zinnen und winkte ihm
aufgeregt mit beiden Armen zu.
Sean. Lancelot erwiderte seinen Gruß, sah sich kurz und
suchend um und eilte dann mit weit ausgreifenden Schritten auf die steile geländerlose Steintreppe zu, die zum
Wehrgang hinaufführte.
Der Ire kam ihm aufgeregt entgegen, als er oben anlangte. Er wirkte nervös, aber nicht ängstlich, und als Lancelot
näher kam, blieb er stehen und zauberte ein breites Grinsen auf sein bärtiges Gesicht. »Sir Lancelot, verzeiht. Ich
habe aus Versehen …«
»… den Namen benutzt, den ich im Moment vorziehe«,
unterbrach ihn Lancelot. Er schlang fröstelnd die Arme
um den Oberkörper und fügte in übertrieben finsterem
Ton, aber mit einem Augenzwinkern hinzu: »Ich hoffe
doch, du hast mich bei dieser Kälte nicht hier heraufzitiert,
um dich dafür zu entschuldigen.«
Sean lachte. Sein Gesicht war gerötet und augenscheinlich fror er trotz des dicken Mantels, in den er sich gehüllt
hatte, genauso wie Lancelot. Er schüttelte heftig den Kopf.
»Bestimmt nicht. Ich würde es meinem ärgsten Feind
nicht gönnen, hier oben eine Nacht lang Wache stehen zu
müssen. Bei Ollathair und all den anderen alten Göttern:
Ich beginne zu ahnen, warum Tintagel niemals erobert
worden ist. Diese Festung braucht keine Verteidiger. Wind
und Kälte sind abschreckend genug.«
»Ist sie das?«, fragte Lancelot. »Niemals erobert worden?«
»Nicht, soviel ich weiß.« Sean hob die Schultern und trat
mit zwei schnellen Schritten an die Lücke zwischen zwei
der gewaltigen, übermannshohen Zinnen. »Ich habe dich
hier heraufgebeten, um dir etwas zu zeigen.«
Lancelot tat ihm den Gefallen und trat neben ihn, obwohl er dem schneidenden Wind dadurch noch schutzloser
ausgesetzt war. Der Anblick, der sich ihm bot, entschädigte ihn dafür aber mehr als genug.
Sie standen auf der landwärts gerichteten Seite der Mauer und die Küstenregion Cornwalls breitete sich vor ihnen
aus, so weit das Auge reichte. Es schneite nicht, sodass der
Blick trotz der schweren Wolken und des eher grauen als
hellen Lichtes meilenweit ging. Lancelot spürte ein neuerliches eisiges Frösteln, das diesmal nichts mit Wind und
Kälte zu tun hatte, als er sah, wie täuschend nahe der
Waldrand und die Ebene zu liegen

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