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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eine
lebende, pulsierende Burg voller Menschen und Geschäftigkeit. Überall wurde gearbeitet, Dutzende von Menschen
eilten geschäftig hin und her und hinter den zum größten
Teil instand gesetzten Zinnen standen gut ausgerüstete und
bewaffnete Posten, die das Umland im Auge behielten.
Aber er bemerkte auch Dinge, die ihm nicht gefielen. An
mindestens zwei Stellen waren die Zinnen brandgeschwärzt und jemand – vermutlich Sean – hatte eine Anzahl schwerer gusseiserner Töpfe auf die Wehrgänge hinaufschaffen lassen.
    Töpfe, wie man sie benutzte, um von den Zinnen einer
belagerten Burg heißes Öl oder Pech auf die Angreifer zu
schütten. Lancelot hatte plötzlich eine ungute Vorahnung,
was es war, das Sean so dringend mit ihm besprechen
wollte.
    »Es ist also wahr?«
Lancelot drehte sich zu Gwinneth um und stellte mit einem Gefühl leiser Besorgnis fest, dass sie sich so weit in
das dampfend heiße Wasser hatte sinken lassen, dass es ihr
bis ans Kinn reichte. Sie wirkte völlig entspannt und sehr
müde. Er hätte sie nicht so lange aus den Augen lassen
    dürfen. Erschöpft, wie sie war, bestand durchaus die Gefahr, dass sie in dem heißen Wasser einschlief und ertrank.
»Wir waren so lange fort.«
Lancelot nickte. Was sollte er darauf antworten? Falls
sie eine Erklärung von ihm erwartete, die hatte er nicht.
»Aber wie kann das sein?«, murmelte Gwinneth schläfrig. »Wir waren doch nur eine Stunde dort unten.«
»Es ist ein magischer Ort.« Lancelot hob die Schultern.
»Mehr kann ich auch nicht sagen.«
»Aber eine Stunde dort – und zwei Monate hier?«
Gwinneth schüttelte den Kopf und setzte sich zu Lancelots
Erleichterung etwas weiter auf. Ihr Blick tastete suchend
umher und Lancelot löste sich rasch von seinem Platz am
Fenster und holte vom Bett eines der flauschigen Wolltücher. Gwinneth seufzte hörbar enttäuscht, verstand aber,
was er ihr mit dieser Geste sagen wollte und kletterte widerstrebend aus dem Badezuber.
Als Lancelot ihr das Tuch wie einen Mantel um die
Schultern legte, fuhr sie fort: »Als du damals auf der Tir
Nan Og warst – ist da in dieser Welt hier auch so viel Zeit
vergangen?«
Lancelot schüttelte den Kopf, ohne wirklich über diese
Frage nachgedacht zu haben. »Vielleicht läuft die Zeit auf
der Insel der Unsterblichen wirklich anders ab. Aber
wenn, dann ist der Unterschied nicht so groß. Ich war
mehrere Tage dort.«
Gwinneth nickte. »Und hier hätten Jahre vergehen müssen, wäre damals das Gleiche passiert wir jetzt. Doch das
sind sie nicht.« Sie zog das Tuch enger um die Schultern
zusammen, fröstelte plötzlich, obwohl sie gerade aus dem
fast kochend heißen Wasser gestiegen war, und trat mit
raschen Schritten an den Kamin. Lancelot warf einen
schrägen Blick in den Badezuber. Der Gedanke an das
warme Wasser erschien ihm verlockend, doch er brauchte
nur einen Moment, um sich anders zu entscheiden. Sean
würde vermutlich jetzt schon unten voller Ungeduld auf
sie warten, und auch wenn Lancelot beinahe Angst vor
dem hatte, was er erfahren würde, so brannte er auf der
anderen Seite auch zugleich darauf, mit dem Iren zu reden.
Er beließ es dabei, Mantel und Rock abzustreifen und in
die sauberen – und viel wärmeren – Kleider zu schlüpfen,
die Iven bereitgelegt hatte.
»Sean wird uns fragen, wo wir gewesen sind«, meinte
Gwinneth, während sie ans Bett herantrat und sich ebenfalls umzuziehen begann.
»Dann müssen wir uns eine plausible Geschichte einfallen lassen«, erwiderte Lancelot. Leiser und eigentlich nur
an sich selbst gerichtet fügte er hinzu: »Auch wenn ich
wirklich nicht weiß welche.«
»Wie wäre es mit der Wahrheit?«, schlug Gwinneth vor.
Um ein Haar hätte Lancelot gelacht. »Meinetwegen.
Obwohl ich mutmaße, dass er die am allerwenigsten glauben würde.« Er schüttelte entschieden den Kopf und wurde schlagartig wieder ernst. »Das Geheimnis dieser Höhle
muss unbedingt gewahrt bleiben, Gwinneth. Merlin wird
einen guten Grund gehabt haben, es mit niemandem zu
teilen.«
»Ich vertraue Sean«, sagte Gwinneth.
»Ich auch. Doch darum geht es nicht. Es ist besser, wenn
wir ihm nicht sagen, wo wir waren. Davon abgesehen –
irgendetwas ist dort unten, Gwinneth. Irgendetwas hat uns
beschützt, sowohl auf dem Weg hinein als auch wieder
hinaus. Es könnte ebenso gut die Höhle davor beschützen,
von jemandem betreten zu werden, der nicht dorthin gehört.«
»Tun wir das denn?«, fragte Gwinneth. »Dorthin

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