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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gesagt, um die
Menschen hier nicht noch mehr zu entmutigen, als es ohnehin schon der Fall war – aber ich war sicher, ihr wäret
abgestürzt und unten auf den Felsen zerschmettert.«
Gwinneth wollte antworten, doch Lancelot kam ihr zuvor. »Wie du siehst, sind wir das nicht.«
»Ja«, erwiderte Sean spröde. »Ich sehe es.« In seinen
Augen blitzte es kampflustig auf und Lancelot beherrschte
sich im letzten Moment, um ihm nicht die Antwort zu geben, die ihm gebührte. Er hatte keine Furcht vor einer
Auseinandersetzung mit dem Iren, aber jetzt war nicht der
Moment zu streiten. Dennoch nahm er sich vor, später auf
das Thema zurückzukommen. Sean war vielleicht einer
der vertrauenswürdigsten Männer, die er kannte, und seine
Hilfe war von unschätzbarem Wert – und doch wurde es
vielleicht Zeit, ihm klar zu machen, wer der Herr auf Tintagel war.
»Wie gesagt: Wir waren fast sicher, dass Ihr nicht mehr
am Leben seid«, fuhr Sean fort. »Aber eben nur fast. Also
sind Patrick, Iven und ich übereingekommen, uns eine
Geschichte auszudenken, die eure Abwesenheit erklärt.«
»Warum?«, fragte Gwinneth.
»Warum, Mylady?«, wiederholte Sean im Ton ehrlicher
Bestürzung. Er machte eine ausholende Geste. »Das fragt
Ihr? Habt Ihr nicht gesehen, was Eure Rückkehr nach Tintagel bewirkt hat? Als wir angekommen sind, war diese
Burg verlassen und leer. Die Menschen lebten in Furcht
und ohne Hoffnung und mit dem sicheren Wissen, dass
der Krieg auch hierher kommen und ihnen auch noch das
wenige nehmen würde, das ihnen geblieben war. Ihr habt
ihnen Hoffnung gegeben, ein Ziel, für das es sich zu leben
und zu kämpfen lohnt. Hätten wir ihnen all das nehmen
sollen? Was hätte ich antworten sollen, wenn sie mich
gefragt hätten, wo Ihr seid? Warum Ihr sie verlassen
habt?«
Gwinneth senkte betroffen den Blick.
»Aber es sind noch mehr Menschen nach Tintagel gekommen«, sagte Lancelot.
Sean nickte. »In Scharen. Wir mussten die meisten abweisen. Wir sind jetzt mehr als dreihundert, und sobald
das Frühjahr kommt, werden auch die Händler und Fischer
zurückkehren. Es gibt Pläne, den Hafen wieder aufzubauen und den Handel neu zu beleben.« Sein Gesicht verdüsterte sich. Etwas leiser fügte er hinzu: »Wenn uns so viel
Zeit bleibt.«
»Wie meinst du das?«, fragte Lancelot alarmiert.
»Wir sind zweimal angegriffen worden«, erklärte Patrick.
Gwinneth sah erschrocken hoch. »Angegriffen? Von
wem?«
»Artus«, antwortete Sean.
Für einen kurzen Moment wurde es fast unheimlich still,
dann flüsterte Gwinneth: »Artus? Aber er …«
»Nicht er selbst«, fiel ihr Sean ins Wort. »Aber seine
Ritter. Das erste Mal waren es nur wenige; eine Hand voll.
Sie verlangten Einlass, und als wir ihnen den nicht gewährten, haben sie versucht ihn sich mit Gewalt zu verschaffen.« Er lachte leise. Es klang nicht wirklich amüsiert. »Sie haben wohl geglaubt, es nur mit einer verfallenen Ruine zu tun zu haben, die von einem halben Dutzend
altersschwacher Diener vor dem endgültigen Verfall bewahrt wird. Wir haben sie eines Besseren belehrt.«
»Aber sie sind wieder gekommen«, berichtete Patrick.
»Vor einer Woche«, fügte sein Bruder hinzu. »Ein Heer,
vielleicht achtzig, hundert Mann. Wir haben sie zurückgeschlagen, doch es war ein harter Kampf.«
»Gab es … Tote?«, fragte Gwinneth erschrocken.
»Auf unserer Seite?« Sean schüttelte den Kopf. »Nein.
Aber eine Menge Verletzte. Und wir hatten Glück. Sie
haben uns wohl wieder unterschätzt. Ein drittes Mal wird
ihnen das nicht passieren.«
»Und du bist sicher, dass es Artus’ Ritter waren?«, vergewisserte sich Lancelot.
»Es war ein Söldnerheer«, verbesserte Patrick. »Keine
wirklich gut ausgebildeten Krieger – sonst wäre es uns
nicht so leicht gefallen, sie zurückzuschlagen.«
»Aber sie wurden von einem Ritter befehligt, der unter
der Fahne Camelots ritt«, fügte Sean hinzu. Er machte ein
besorgtes Gesicht. »Ihr hättet keinen Tag später zurückkehren dürfen, Lancelot. Als die Schlacht vorüber war, da
schickte er einen Parlamentär und hat uns ein Ultimatum
gestellt.«
»Und was verlangt er?«, fragte Lancelot. Als ob er das
nicht wüsste.
Sean lachte bitter. »Was wohl? Eure Auslieferung. Und
vor allem die von Lady Gwinneth, was sonst? Wir haben
noch drei Tage Zeit, heute mitgerechnet. Dann kommen
sie wieder – und ich fürchte, Patrick hat Recht. Das nächste Mal werden es nicht nur ein paar Dutzend schlecht
ausgebildeter Söldner

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