Runenschild
gehören?«
Darauf antwortete Lancelot nicht. Er wartete schweigend, bis Gwinneth sich angekleidet hatte, dann wandte er
sich zur Tür und machte eine auffordernde Geste.
»Sean wartet auf uns. Ich habe das Gefühl, dass er uns
eine Menge zu erzählen hat. Und dass es wichtig ist.«
»Und was sollen wir ihm jetzt sagen?«, fragte Gwinneth.
»Und den anderen?«
»Ich werde mir etwas ausdenken«, erwiderte Lancelot
fast grob. »Und nun komm!«
Sein unwirscher Ton tat ihm sofort wieder Leid, zumal
er sah, dass Gwinneth zusammenzuckte und ihn vorwurfsvoll anblickte, und ihm lagen entschuldigende Worte auf
der Zunge – aber er sprach sie nicht aus.
Ganz im Gegenteil war er plötzlich noch ungeduldiger
und musste sich beherrschen, um Gwinneth nicht wirklich
anzufahren. Doch als sie an ihm vorüberging und die Tür
öffnen wollte, da war er es, der noch einmal kehrtmachte
und zu der großen Truhe trat, die an der Wand gegenüber
dem Bett stand. Wortlos öffnete er den schweren Deckel,
streifte seinen Mantel ab und nahm den heraus, den er am
ersten Morgen hier getragen hatte: Die prachtvolle, aufwändig bestickte Robe König Uthers, das Kleidungsstück
des Herrn von Tintagel. Gwinneth sah ihm mit gerunzelter
Stirn und einem Ausdruck ganz sachter Bestürzung in den
Augen zu, sagte aber nichts, sondern öffnete die Tür und
trat auf den Gang hinaus.
Lancelot hörte hastige Schritte und das Rascheln von
Stoff, als entferne sich jemand in großer Eile. Vielleicht
hatte einer der Dienstboten draußen gestanden und gelauscht und auch dieser Gedanke erfüllte ihn mit Zorn, wo
allerhöchstens Ärger sein sollte. Was war nur mit ihm los?
Er reagierte unwirscher und viel heftiger, als er es dürfte.
Lancelot verscheuchte den Gedanken und beeilte sich,
Gwinneth zu folgen.
Wie er erwartet hatte, saßen Sean und Patrick unten im
Kaminzimmer am Tisch. Als Lancelot und Gwinneth die
Treppe herabstiegen, sprangen beide auf und kamen ihnen
entgegen, aber Lancelot bedeutete ihnen mit einer unwilligen Geste, sich wieder zu setzen. Fast zu seiner eigenen
Überraschung gehorchten die beiden Iren widerspruchslos,
wenn Sean auch mit einem Ausdruck deutlicher Missbilligung Lancelots königliche Robe musterte. Er enthielt sich
dazu jedoch jeglichen Kommentars und wartete stattdessen ungeduldig, dass auch Gwinneth und er Platz nahmen.
Kaum hatten sie es getan, da schwang die Tür auf und
Iven und zwei weitere Dienstboten erschienen, um das
Essen zu bringen, das Lancelot vorhin gefordert hatte.
Sie mussten wohl ahnen, was für wichtige Dinge hier
gleich besprochen werden sollten, denn sie beeilten sich,
ihre Last auf dem Tisch abzuladen und alles mit mehr gutem Willen als wirklicher Sorgfalt zu arrangieren, und
dennoch musste sich Lancelot auch jetzt wieder beherrschen, um seinem Ärger nicht Luft zu machen.
»Ihr seid also endlich zurück«, begann Sean, nachdem
sie wieder allein waren und er einen kurzen, aber beredten
Blick mit seinem Bruder getauscht hatte. »Darf ich fragen,
wo Ihr all die Zeit über wart? Und warum?«
»An einem Ort, zu dem ihr uns nicht hättet begleiten
können«, antwortete Lancelot.
Das war nicht die Antwort, die Sean hatte hören wollen.
Er presste wütend die Lippen aufeinander, beließ es dann
aber bei einem mürrischen Achselzucken. »Und ich nehme
an, ihr seid auch nicht geneigt uns mitzuteilen, was ihr
dort getan habt?«, fragte er sarkastisch.
»Vielleicht später«, antwortete Lancelot. »Jetzt erzählt.
Es hat sich eine Menge getan, während wir fort waren.«
Sean nickte. Er sah Gwinneth an, als erhoffe er sich von
ihr eine Antwort auf die Fragen, die Lancelot ihm so offenkundig nicht beantworten wollte, zuckte aber dann
nochmals mit den Schultern und wandte sich wieder an
Lancelot. »Nachdem wir gemerkt haben, dass Lady Gwinneth und du nicht in eurem Zimmer wart, haben wir ganz
Tintagel nach euch durchsucht«, begann er. »Iven und die
anderen haben buchstäblich jeden Stein herumgedreht,
aber es hat einen ganzen Tag gedauert, bis wir das offene
Schlupftor gefunden und eure Spuren im Schnee entdeckt
haben.« Er schüttelte den Kopf. »Was hast du dir nur dabei gedacht, Lancelot? Ich war fast sicher, dass ihr tot
seid.«
»Wieso?«, fragte Gwinneth erschrocken.
»Weil Eure Spuren und die Lancelots bis zur Steilküste
gingen und dort aufhörten, Mylady«, antwortete Sean.
»Ich selbst bin zur Küste hinuntergeklettert und habe nach
euch gesucht. Ich habe es niemandem
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