Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
um und machte eine weit ausholende, müde Geste. »Spätestens morgen bei Sonnenuntergang werden sie hier sein. Es ist Artus’ Plan, sie hier zu
empfangen.«
»Das ist kein sehr kluger Plan«, sagte Lancelot erschrocken. »Mit der Steilküste im Rücken gibt es nichts,
wohin ihr euch zurückziehen könnt.«
»Und genau das ist Artus’ Absicht. Es wird keinen
Rückzug geben, Lancelot. Wir werden siegen oder untergehen.«
»Das klingt nach dem Plan eines verzweifelten Mannes«, sagte Lancelot.
»Artus ist verzweifelt«, bestätigte Parzival. »Wenn nicht
ein Wunder geschieht, werden wir diesen Krieg verlieren,
und du weißt, was das bedeutet.«
Es war nicht nötig, dass Lancelot antwortete. Es ging
nicht um Artus. Es ging um Camelot. Wenn Camelot fiel,
dann fiel Britannien und alles, was Artus und seine Ritter
ein Menschenalter lang aufgebaut hatten, würde in Barbarei und einem Meer von Blut und Leid ertrinken. Obwohl
er sich innerlich schon längst von Artus und all seinen
Idealen und Zielen losgesagt geglaubt hatte, lief ihm ein
kalter Schauer über den Rücken.
»Wie konnte es so weit kommen?«, murmelte er.
Parzival antwortete nicht sofort, und als er es tat, sah er
Lancelot nicht an, sondern starrte an ihm vorbei ins Leere.
»Niemand weiß das. Wir haben unsere Kraft verloren,
Lancelot. Vielleicht sind wir selbst schuld. Wir haben immer nur gesiegt und gesiegt, wir haben jeden Gegner geschlagen, jeden Feind zurückgetrieben, der es gewagt hat,
unsere Grenzen zu überschreiten.« Er lachte leise und bitter. »Vielleicht waren wir unserer Sache zu sicher. Vielleicht musste es eines Tages so weit kommen.«
Lange Zeit schwiegen sie und es war eine unangenehme,
drückende Stille, die sich über ihnen ausbreitete.
Schließlich räusperte sich Lancelot übertrieben und
künstlich und fragte mit veränderter, leicht belegter Stimme: »Und was willst du jetzt von mir?«
Parzival blinzelte, als hätte er die Frage nicht wirklich
verstanden. Dann erschien ein halb überraschtes, halb aber
auch verlegenes Lächeln auf seinem Gesicht. »Von dir?
Nichts. Ich bin nicht hierher gekommen, um dir Vorwürfe
zu machen oder etwas von dir zu verlangen, mein Freund.
Ich wollte nur noch einmal mit dir reden.«
»Bevor wir uns das nächste Mal mit dem Schwert in der
Hand gegenüberstehen?«, fragte Lancelot.
Parzival wirkte verletzt. Einen Atemzug lang blickte er
ihn ausdruckslos an, dann schüttelte er fast unmerklich
den Kopf. »Ich werde nicht an diesem Kampf teilnehmen«, sagte er. »Und Galahad auch nicht. Wir haben Artus darum gebeten und er hat unserer Bitte entsprochen.«
»Wie edel von euch«, sagte Lancelot bitter.
»Wie konnte es nur so weit kommen?«, murmelte Parzival. »Wir waren einmal Freunde, Lancelot. Hast du das
schon vergessen?«
»Sind wir das denn nicht mehr?«
Parzival ignorierte die Frage und Lancelot taten seine eigenen Worte schon längst wieder Leid. Parzival machte
eine Geste zur Burg hinauf. »Vielleicht solltest du dich
beeilen. Artus hat dir keine lange Frist gesetzt.«
»Du weißt, dass ich seine Forderung nicht erfüllen
kann«, sagte Lancelot leise. »Ginge es nur um mich – sofort. Aber ich kann nicht zulassen, dass er Gwinneth tötet,
heute so wenig wie damals in Camelot.«
Parzivals Reaktion überraschte ihn. Der junge Tafelritter
lächelte, doch es war ein sehr trauriges, verbittertes Lächeln, und wieder schwieg er für eine lange, endlos quälend lange Zeit. »Warum bist du nicht zu mir gekommen,
Lancelot?«
»Zu dir?«
»Als du den Plan gefasst hast, zusammen mit Gwinneth
zu fliehen«, erklärte Parzival. »Warum hast du dich mir
nicht anvertraut? Das alles hätte nicht passieren müssen.«
»Und was hättest du getan?«, fragte Lancelot bitter. »Ein
gutes Wort für mich eingelegt oder Artus gefragt, ob er es
sich nicht doch noch einmal überlegen will?«
»Es war alles arrangiert«, fuhr Parzival leise fort, als hätte er seine Worte gar nicht gehört. »Du hast es gerade
nicht verstanden und du hast es auch damals nicht verstanden, Lancelot. Und wie könntest du auch? Camelots
Macht beruht auf einem einzigen unantastbaren Prinzip,
und das bedeutet, dass das Gesetz über allen steht, auch
über dem König. Auf Ehebruch steht nun einmal der Tod
und Artus konnte keine Ausnahme machen, auch – und
gerade – bei sich selbst nicht.«
»Und?«, schnappte Lancelot. »Was hätte ich tun sollen?
Zusehen, wie er Gwinneth verbrennt, um seinen Prinzipien treu

Weitere Kostenlose Bücher