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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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machte.
Dennoch empfand Lancelot allerhöchstens ein flüchtiges
Gefühl von Erleichterung. Er war sich dieser Gefahr
durchaus bewusst gewesen, als er Tintagel verließ – aber
welchen Unterschied machte es schon? Ganz egal was
geschah, ihm blieben so oder so nur noch ein paar Stunden.
Er nickte, machte eine auffordernde Geste und Thomas,
der möglicherweise ein guter Schwertkämpfer war, aber
kein besonders guter Reiter, wendete mit einiger Mühe
sein Pferd und trabte wieder aufs Lager zu. Die Krieger
hinter der Palisade wichen respektvoll zur Seite, und obwohl Lancelot starr geradeaus und auf Thomas’ in Eisen
gehüllten, breiten Rücken blickte, bemerkte er doch sehr
wohl, wie ihn die Männer anstarrten, die sie passierten. In
den Augen der meisten mischte sich Neugier mit Überraschung, aber da war auch eine Menge Respekt und Ehrerbietung, die er sich nicht wirklich erklären konnte. Es gab
kein zorniges Murren, keine bösen Blicke und keine gemurmelten Drohungen; die Krieger bildeten stumm und
diszipliniert ein lebendes Spalier, das schnurgerade bis in
die Mitte des Heerlagers reichte.
Auch hier herrschte hektische Betriebsamkeit. Artus’
großes Königszelt war noch nicht einmal zur Hälfte aufgebaut, obwohl ein gutes Dutzend Männer gleichzeitig
daran arbeitete, und er bemerkte weitere Männer in Rüstung und den Farben Camelots, die er so wenig kannte
wie Thomas.
Und endlich erblickte er Artus selbst.
Der König stand ein Stück abseits und folgte schweigend
dem Fortgang der Arbeit. Auch er war umgeben von zahlreichen Tafelrittern, die Lancelot nahezu ausnahmslos
unbekannt waren, was in Lancelots Augen kein gutes Zeichen war. Man wurde nicht einfach so zum Ritter geschlagen. Normalerweise dauerte es ein halbes Leben lang, zumindest aber viele Jahre, bevor einem Mann diese Ehre
zuteil wurde, und einen Platz an König Artus’ Tafel bekamen nur die besten der Besten.
Schließlich aber entdeckte er doch zumindest zwei bekannte Gesichter. Es waren Galahad und Parzival, mit
Ausnahme Lancelots vielleicht die jüngsten Ritter, die
jemals einen Platz an König Artus’ Tafel gefunden hatten.
Obwohl er seine Annäherung zweifellos bemerkt haben
musste – schließlich hatte er Thomas ja selbst geschickt,
um ihn in zu ihm zu geleiten –, tat Artus eine geraume
Weile weiter, so als verfolge er konzentriert die Arbeit an
seinem Zelt. Erst als Lancelot sich auf zehn Schritte genähert hatte, das Einhorn anhielt und aus dem Sattel stieg,
wandte auch er sich um, sah ihm für die Dauer eines einzelnen, aber endlosen Atemzuges wortlos und mit steinernem Gesicht entgegen und kam dann ganz langsam auf ihn
zu. Er trug Rüstung und Mantel, und der Schwertgriff, der
aus seinem Gürtel ragte, war der Excaliburs. Doch es war
nicht der Anblick der magischen Waffe, der Lancelot erschrocken zusammenfahren ließ, als Artus näher kam.
Es war Artus selbst.
Seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten, war kaum
mehr als ein halbes Jahre vergangen, aber der König
schien um Jahrzehnte gealtert. Sein Gesicht wirkt blass
und eingefallen und seine Augen, die niemals anders als
von schier unerschöpflicher Kraft erfüllt gewesen waren,
erschienen Lancelot jetzt plötzlich trübe und glanzlos, als
hätte er erst vor kurzem ein schweres Fieber überwunden.
Obwohl er ihm hoch aufgerichtet und mit kräftigen Schritten entgegentrat, fehlte seinen Bewegungen irgendetwas,
das Lancelot zwar nicht in Worte fassen konnte, dessen
Fehlen aber überdeutlich war.
»Du bist also tatsächlich gekommen.« Lancelot wusste
nicht genau, was er auf diese ungewöhnliche und überraschend kraftlos wirkende Eröffnung erwidern sollte. Mehr
aus Hilflosigkeit denn aus irgendeinem anderen Grund
nahm er den Helm ab und verbeugte sich vor Artus. »Mein
König.« Ein schmerzliches Lächeln erschien auf Artus’
Lippen.
»Mein König …«, wiederholte er nachdenklich. »Wie
sonderbar das aus deinem Mund klingt.«
»Majestät, es tut mir Leid, wenn ich …«, begann Lancelot.
»Nenn mich nicht so!«, unterbrach ihn Artus, keinen
Deut lauter, aber in hörbar schärferem und zugleich verbittertem Ton. »Ich bin nicht dein König, Lancelot. Ich bin
nur ein Mann, dem du alles genommen hast, was man einem Menschen nehmen kann.« Ein Schlag ins Gesicht
hätte Lancelot nicht schmerzhafter treffen können. Er hatte
sicherlich nicht erwartet, dass Artus ihn freundschaftlich
oder auch nur respektvoll begrüßte, und dennoch taten

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