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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu bleiben?« Seine Stimme klang zorniger, als er
wirklich war. Ganz im Gegenteil: Tief in sich verstand er
jetzt wie damals genau, dass Artus keine andere Wahl gehabt hatte, als so zu entscheiden und nicht anders. Aber
was hätte er tun sollen in einer Lage, in der jede Entscheidung falsch war?
»Gwinneth wäre nicht gestorben«, sagte Parzival leise.
Lancelot starrte ihn an. »Was?«
»Es war alles vorbereitet«, antwortete Parzival. »Galahad, Braiden und ich waren eingeweiht und der Scharfrichter auch.«
»Aber ich habe den Scheiterhaufen gesehen «, widersprach Lancelot. Sein Herz begann zu hämmern, als wäre
er zehn Meilen ohne innezuhalten gerannt. »Ich habe die
Flammen gespürt, Parzival!«
»Wir hatten nasses Stroh unter das Reisig gelegt«, antwortete Parzival. »Das Feuer hätte nur Rauch entwickelt,
aber kaum Hitze, und der Scheiterhaufen war so präpariert, dass wir Gwinneth hätten herausholen können, sobald der Rauch den anderen die Sicht genommen hat. Galahad hatte heimlich die Leiche einer jungen piktischen
Kriegerin vom Schlachtfeld geholt, die an Gwinneths Stelle verbrannt wäre.« Lancelot war nicht fähig, irgendetwas
zu sagen. Er starrte Parzival nur an und für einen Moment
schien sich alles um ihn zu drehen und die Welt gleichzeitig stehen zu bleiben. Nie zuvor hatte er ein so fassungsloses Entsetzen verspürt wie in diesem Moment.
»Das … das ist nicht wahr«, murmelte er schließlich.
»Das sagst du jetzt nur, um …«
»Um was?«, fragte Parzival.
Lancelot schwieg. Er spürte, dass Parzival die Wahrheit
sagte, auch wenn er sich immer noch mit aller Macht dagegen sträubte, seinen Worten zu glauben. »Warum hast
du es mir nicht gesagt?«, flüsterte er.
»Ich durfte es nicht«, antwortete Parzival. »Artus hat es
verboten. Gwinneth sollte hinterher in ein Kloster gebracht
werden, aber dich sollten wir in dem Glauben lassen, sie
sei tot.«
»Ich verstehe«, flüsterte Lancelot. »Also wäre nichts von
alledem geschehen, wenn ich nicht …«
»Es ist nicht deine Schuld«, unterbrach ihn Parzival fast
erschrocken. »Vielleicht hätte ich an deiner Stelle ebenso
gehandelt. Seit damals ist kein Tag vergangen, an dem
Artus sich nicht selbst schwere Vorwürfe gemacht hätte,
dir nicht die Wahrheit gesagt zu haben.«
»Und jetzt hat er dich geschickt, um es nachzuholen?«
Parzival schüttelte müde den Kopf. »Nein. Ich glaube, er
würde mich töten, wenn er wüsste, worüber wir jetzt reden. Nicht dass es einen Unterschied macht; wahrscheinlich sind wir morgen um diese Zeit ohnehin alle tot. Aber
die Menschen dort oben in der Burg, Lancelot, müssen
nicht sterben.«
»Verlangst du von mir, dass ich ihm Gwinneth ausliefere?«
»Ich verlange nichts«, antwortete Parzival. »Ich sage dir
nur, was geschehen ist und was geschehen wird.«
»Und was, wenn wir aufgeben?«, fragte Lancelot. »Artus wird mich töten, das ist mir klar und davor fürchte ich
mich nicht. Aber was wird mit Gwinneth geschehen?«
Diesmal dauerte es einen Moment länger, bevor Parzival
antwortete, und er sah ihm dabei auch nicht direkt in die
Augen. »Der König wird tun, was er tun muss. Damals
hätte er Gwinneth vielleicht retten können. Heute nicht
mehr.«
»Warum also sollte ich dann aufgeben, wenn wir sowieso sterben müssen?«, fragte Lancelot.
»Weil es manchmal einen Unterschied macht, wie man
stirbt, Lancelot«, antwortete Parzival. »Artus’ Zeit ist vorbei, Lancelot. Aber vielleicht ist es deine Entscheidung,
wie die Menschen in diesem Land ihn in Erinnerung behalten.«
Er sah Lancelot noch einen Moment lang durchdringend
an, dann griff er nach den Zügeln, wendete auf dem
schmalen Pfad das Pferd und ritt ohne ein Wort des Abschieds oder einen letzten Blick zurück ins Lager. Lancelot wartete, bis sich die Palisade hinter ihm geschlossen
hatte, dann setzte auch er seinen Weg hinauf nach Tintagel
fort.
    Kaum war die Frist verstrichen, die ihm Artus gesetzt hatte, da begann auch bereits der Angriff. Lancelot stand zusammen mit den beiden Iren und gut hundert Bewaffneten
– nahezu allen ihnen zur Verfügung stehenden Männern –
oben auf der Wehrmauer und blickte ins Tal hinab und er
betete bis zum allerletzten Moment darum, dass Artus es
sich vielleicht doch noch einmal überlegt haben mochte
und nicht sinnlos so viele weitere Menschenleben opferte,
um sich etwas zurückzuholen, was ihm niemals gehört
hatte.
    Er hatte nach seiner Rückkehr nach Tintagel nicht mehr
mit

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