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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte:
Dichtes Buschwerk, das Eis und Schnee in eine massive
Mauer aus glitzernd erstarrter Kälte verwandelt hatten,
und niedrig wachsende Bäume, deren Äste sich unter ihrer
weißen Last durchbogen. Er warf Sean einen zweifelnden
Blick zu, aber der Ire lächelte nur aufmunternd und ritt –
etwas schneller – weiter, und nachdem sie sich mühsam
ihren Weg durch das Buschwerk gekämpft hatten, erkannte Dulac, dass Sean Recht hatte. Vor ihnen hörte der Wald
auf, um in eine sanft abfallende, schneebedeckte Ebene
überzugehen, durch die sich ein zugefrorener, nicht sehr
breiter Fluss schlängelte. An seinem gegenüberliegenden
Ufer, weniger als eine Meile entfernt, erhob sich ein großes, von einer mannshohen Mauer eingefasstes Gehöft,
hinter dem noch einige wenige weitere Häuser standen.
Aus allen Kaminen kräuselte sich grauer Rauch und jenseits des Hofes erkannte er eine umzäunte Weide, auf der
eine Hand voll magerer Kühe stand.
Obwohl sich der Hof sowohl in Größe als auch in der
Bauweise völlig von dem Gasthaus unterschied, in dem sie
auf Sean und seine Brüder getroffen waren, erinnerte der
Anblick Dulac doch so sehr an die schreckliche Szene,
dass er erschrocken zusammenfuhr und eine instinktive
Bewegung machte, als wolle er das Einhorn rückwärts
wieder in den Wald zurückweichen lassen.
»Keine Sorge«, sagte Sean rasch. »Das dort unten sind
Freunde.«
Dulac zweifelte nicht daran, dass dieses Anwesen
Freunden der Iren gehörte – aber das war schließlich kein
Beweis dafür, dass es im Moment auch von seinen rechtmäßigen Besitzern bewohnt wurde. Und unbeschadet dessen, was er gerade selbst gesagt hatte, schien Sean wohl
doch zumindest ähnlichen Überlegungen nachzugehen,
denn er blickte eine Weile nachdenklich auf die friedlich
erscheinende Szenerie hinab, dann aber wendete er sein
Pferd und ritt wieder ein gutes Stück weit in den Schutz
des Waldes hinein.
»Patrick und ich reiten erst einmal allein hinunter«, verkündete er. »Ihr anderen wartet hier. Lasst euch nicht sehen. Wenn alles in Ordnung ist, komme ich zurück und
hole euch.«
Mit Ausnahme Seans selbst und des jüngsten seiner
Brüder stiegen sie alle aus den Sätteln. Seans Onkel ließ
sich unverzüglich an einem Baum entlang zu Boden sinken, legte den Hinterkopf gegen den Stamm und schloss
die Augen, um, wie es schien, auf der Stelle einzuschlafen.
Und auch seine beiden anderen Brüder machten es sich so
gemütlich, wie es in diesem kalten, längst von Schnee und
Eis eroberten Wald möglich war. Dulac stieg ebenfalls aus
dem Sattel, doch er blieb unschlüssig neben dem Einhorn
stehen, die linke Hand noch am Zaumzeug. Das Tier war
unruhig, scharrte mit den Vorderhufen im Schnee und
drehte immer wieder den Kopf nach rechts und links, als
wittere es eine Gefahr. Vielleicht war es aber auch einfach
nur müde.
So, wie sie alle. Nachdem er gerade erst zwei Tage und
Nächte voll kräftezehrenden Fiebers überwunden hatte,
war Dulac nicht weiter überrascht, dass er vor Schwäche
am ganzen Leib zitterte und das Gefühl hatte, sich kaum
noch auf den Beinen halten zu können.
Doch auch den Iren schien es nicht deutlich besser zu
ergehen. Ihre Gesichter waren grau vor Erschöpfung, ihre
Bewegungen schleppend und fahrig. Er wusste nicht, wie
lange diese Männer schon unterwegs waren, aber es musste lange sein – und Dulac fragte sich plötzlich, wo sie diesen Unbekannten getroffen hatten, der sie auf ihre Fährte
gesetzt hatte.
Von allen hier hielt sich Gwinneth vielleicht noch am
besten, obwohl Sean ja behauptet hatte, sie hätte seit dem
Überfall praktisch kein Auge zugetan. Aber auch sie war
blass und wirkte erschöpft. Ihr Atem dampfte in der Kälte
vor ihrem Gesicht, und ihre Hände zitterten leicht, obwohl
sie sie zu Fäusten geballt und fest gegen die Oberschenkel
gepresst hatte. Dennoch hatte sie sich nicht hingesetzt wie
die anderen, sondern war Sean und seinem Bruder zum
Waldrand gefolgt und stand nun im Schutz der letzten
Büsche da, um auf das Gehöft und den Fluss hinabzusehen. Gegen den grellweißen Hintergrund der schneebedeckten Ebene wirkte ihre Silhouette noch zerbrechlicher
und schlanker als ohnehin, und Dulac erinnerte sich
schmerzlich an Seans Worte: »Sie hat zwei Tage und
Nächte an deinem Krankenlager gesessen und genug Tränen vergossen, um einen ausgetrockneten See damit zu
füllen.«
Zögernd ließ er die Zügel des Einhorns los, folgte ihr
und blieb einen

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