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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Freunde?«
»Ich weiß nicht, ob sie das sind«, gestand Dulac. »Zumindest aber scheinen sie nicht unsere Feinde zu sein, und
das ist schon mehr, als ich von den meisten Menschen
behaupten kann, die wir in den paar Wochen getroffen
haben.«
»Sie sind Halsabschneider und Diebe«, widersprach
Gwinneth. »Wenn nichts Schlimmeres. Ich traue ihnen
nicht.«
»Immerhin haben sie mir das Leben gerettet.«
»Weil sie dafür bezahlt werden, ja«, sagte Gwinneth
verächtlich. »Wahrscheinlich sind wir lebend und unverletzt einfach mehr wert als tot.«
Es gab nicht sehr viel, was er darauf hätte erwidern können. Dass er das Gefühl hatte, Sean vertrauen zu können,
war gewiss kein Beweis für die Aufrichtigkeit des Iren.
Und sollte er Gwinneth sagen, dass er es einfach müde
war, zu kämpfen und davonzurennen, dass er einfach froh
war, einen Menschen getroffen zu haben, der ihm die Entscheidungen abnahm? Gewiss nicht. Ganz egal was sie
gerade über den Unterschied zwischen Dulac und Lancelot
gesagt hatte – diesen Dulac wollte sie bestimmt nicht zurückhaben.
Er antwortete nicht mehr, und sie standen in unbehaglichem Schweigen nebeneinander da und warteten darauf,
dass Sean oder sein Bruder zurückkehrten.
Es dauerte lange. Dulac hatte genug Gelegenheit, sich
Sorgen zu machen. Das Bild unter ihnen sah so friedlich
aus, dass es ihn schon wieder misstrauisch stimmte, und
selbst als sich endlich nach einer schieren Ewigkeit ein
winziger Punkt aus dem ummauerten Geviert unter ihnen
löste und auf seiner eigenen Spur wieder zu ihnen heraufzukriechen begann, stand er mit klopfendem Herzen und
wachsender Beunruhigung da, bis der Reiter endlich nahe
genug gekommen war, um ihn zu erkennen. Es war nicht
Sean, sondern sein Bruder Patrick.
Der Ire kam in scharfem Tempo herangaloppiert und
brachte sein Tier dicht vor dem Waldrand mit einem so
harten Ruck zum Stehen, dass das Pferd scheute und unruhig auf der Stelle zu tänzeln begann. »Es ist alles in Ordnung«, rief er. »Ihr könnt kommen!«
Gwinneth wandte sich auf der Stelle ihrem Pferd zu,
doch Dulac blieb noch einen Moment stehen und sah an
Patrick vorbei hinunter auf den scheinbar so friedlich daliegenden Hof. Nichts an diesem Bild war irgendwie
falsch und auch in Patricks Stimme war kein verräterischer
Unterton, so wenig, wie das Zittern seiner Hände oder das
Flackern seines Blickes irgendetwas anderes gewesen wäre als Müdigkeit. Und dennoch hatte er das immer intensiver werdende Gefühl, dass dort unten ganz und gar nicht
alles in Ordnung war. Aber vielleicht erging es ja auch
ihm nicht anders als dem Iren und er war einfach erschöpft
und übernervös.
Nach einem letzten Zögern wandte auch er sich um,
stieg in den Sattel des Einhornes und lenkte das Tier neben
Gwinneths Pferd. Die beiden anderen Brüder waren mittlerweile ebenfalls aufgesessen und auch Seans Onkel, der
in der Zwischenzeit so tief und fest wie ein Stein geschlafen hatte, stand mit einer energischen Bewegung auf und
kletterte in den Sattel. Nicht einmal eine Minute später
verließen sie nebeneinander den Wald und machten sich
auf den Weg zum Fluss hinab.
Dulac war sich unangenehm deutlich der Tatsache bewusst, dass sie eine weithin sichtbare Bresche in das Unterholz gebrochen hatten; die Spur, die ihre Pferde im
Schnee hinterließen, war so breit, dass man sie vermutlich
schon auf eine Meile Entfernung sehen konnte. Aus zusammengekniffenen Augen suchte er den Himmel ab.
Vielleicht zum ersten Mal seit Wochen war er wolkenlos
und von einem strahlenden Blau. Von dem Schnee, von
dem Sean gesprochen hatte, war weit und breit nichts zu
sehen. Hätte ihm der Gedanke nicht solches Unbehagen
bereitet, dann hätte Dulac vielleicht sogar gelacht. Seit
mehr als einem Monat wünschte er sich nichts sehnlicher,
als dass es aufhörte zu schneien und die Sonne endlich
wieder einmal schien, und nun wurde sein Wunsch im
einzigen Moment erfüllt, in dem er ihn wirklich nicht gebrauchen konnte; als hätte sich zu allem Überfluss nun
auch noch die Natur auf die Seite ihrer Feinde geschlagen.
Aber vielleicht war es ja auch nur die Natur dieser Welt.
    Sosehr der Anblick des Gehöftes Dulac und Gwinneth an
den zurückliegenden Schrecken erinnerte, so wohltuend
unterschied sich sein Inneres von dem schäbigen, heruntergekommenen Gasthaus, in dem sie auf Sean und seine
Brüder getroffen waren. Sowohl Dulac als auch Gwinneth
waren viel zu müde und erschöpft, um mehr als einen

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