Runenschild
halben Schritt hinter ihr stehen. Gwinneth
musste das Geräusch seiner Schritte auf dem Schnee gehört haben und vermutlich hörte sie auch seinen Atem, der
noch immer keuchend und ein wenig unregelmäßig ging,
aber sie wandte sich nicht zu ihm um, noch ließ sie sich
irgendwie anmerken, dass sie sich seiner Anwesenheit
bewusst war. Dulac stand eine ganze Weile schweigend
hinter ihr, bis er sich eingestand, dass sie nicht von sich
aus das Wort ergreifen würde.
Er nahm all seinen Mut zusammen, trat ganz neben
Gwinneth und legte ihr behutsam die Hand auf den Unterarm. Einen winzigen Moment lang reagierte sie gar nicht,
dann zog sie den Arm zurück. Es war nur eine winzige
Bewegung, vielleicht sogar ein Reflex, für den sie gar
nichts konnte, und dennoch tat sie so weh, als hätte sie
ihm mit der Hand ins Gesicht geschlagen.
»Es … es tut mir Leid, Gwinneth«, murmelte er. Er hatte
nicht mit einer Antwort gerechnet, doch nachdem zwei
oder drei weitere Herzschläge verstrichen waren, drehte
Gwinneth langsam den Kopf und sah ihm in die Augen.
»Es ist nicht deine Schuld, Dulac. Du hättest nichts ändern
können, glaub mir.«
»Ohne mich wärst du jetzt noch immer Königin auf Camelot«, antwortete er. »Ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen.«
»Das ist nicht wahr«, antwortete Gwinneth. »Ich wäre
niemals bei Artus geblieben, Dulac. Vielleicht eine Weile.
Vielleicht ist alles schneller gekommen, weil du da warst,
aber ich hätte niemals mein Leben an seiner Seite verbracht.« Sie lächelte traurig. »Ich hätte ihn niemals heiraten sollen. Wenn es jemanden gibt, dem ich einen Vorwurf
machen kann, dann bin ich es.« Ihr Lächeln wurde noch
bitterer. »Wir gehören nicht in diese Welt, Dulac. Du
nicht, ich nicht, Artus nicht.«
»Aber es ist unsere Welt, ebenso wie die der Menschen«,
protestierte Dulac. »Unser Volk war lange vor ihnen hier.«
»Und vor uns waren andere hier, und vor denen wieder
andere«, widersprach Gwinneth. »Vielleicht ist es der
Lauf der Natur. Menschen sterben um der nächsten Generation Platz zu machen. Warum soll es nicht auch Völkern
so ergehen?« Sie schüttelte den Kopf. »Diese Welt gehört
uns schon lange nicht mehr, Dulac. Die meisten unseres
Volkes haben das eingesehen und sind gegangen.«
»Niemand hat mich gefragt, ob ich hierher kommen
will«, antwortete Dulac, etwas lauter und in so scharfem
Ton, dass er sich selbst in Gedanken zur Ordnung rief. Er
musste Acht geben, dass er seinen Ärger nicht an Gwinneth ausließ, die ihn nun wirklich als Allerletzte verdient
hatte. Trotzdem fuhr er fort: »Ich war ein kleines Kind, als
ich hierher gebracht wurde. Noch vor einem Jahr wusste
ich nicht einmal, was ich wirklich bin. Und wenn ich mich
richtig erinnere, ist es dir nicht viel anders ergangen.«
»Aber jetzt sind wir keine Kinder mehr«, widersprach
Gwinneth. »Vielleicht sollten wir nach Hause gehen, Dulac. Dorthin, wo wir hingehören.«
»Du weißt, dass du das nicht wirklich willst«, antwortete
Dulac. »Du warst dort. Hast du es schon vergessen? Oder
hat es dir etwa gefallen?«
»Ich war in den Kerkern von Malagon«, bestätigte
Gwinneth, schüttelte aber zugleich auch den Kopf. »Morgaines schwarze Festung ist nicht die Tir Nan Og, so wenig wie die Verliese von Camelot etwas mit diesen Wäldern gemein haben oder den Menschen, die hier leben.«
Dulac wollte erneut widersprechen, doch Gwinneth
schüttelte rasch den Kopf und brachte ihn damit zum
Schweigen. Sehr leise und ohne ihn direkt anzusehen fuhr
sie fort: »Ich habe darüber nachgedacht, Dulac. Und nicht
erst seit heute. Wir gehören nicht hierher. Ich habe allen,
die meinen Weg gekreuzt haben, nur Unheil und Tod gebracht. Selbst dir.«
»Unsinn!«, widersprach Dulac. »Ich bin …«
»… nicht mehr der, als den ich dich kennen gelernt habe«, fiel ihm Gwinneth ins Wort.
»Was willst du damit sagen?«, murmelte Dulac.
»Der Dulac, der mir vor einem Jahr auf Camelot begegnete«, antwortete Gwinneth, »war ein anderer. Er hat gerne gelacht, war immer hilfsbereit und zu einem Scherz
aufgelegt und er hat die Menschen und das Leben geliebt.«
»Und der Dulac, der jetzt vor dir steht?«
»Lancelot«, antwortete Gwinneth, und Dulac fuhr beim
Klang dieses Namens nun wirklich zusammen wie unter
einem Hieb, »ist ein Ritter, so wie Artus und all seine
Männer. Er ist ein tapferer Ritter, vielleicht der stärkste
von allen, und ein aufrechter Mann. Aber ich bin mir nicht
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