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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Grauens. Der Schankraum war total verwüstet. Nicht ein
Möbelstück war an seinem Platz oder auch nur unbeschädigt geblieben und überall lagen tote oder sterbende Pikten, anderthalb Dutzend, vielleicht zwei, möglicherweise
sogar mehr. Aber auch die Verteidiger hatten einen hohen
Preis für ihren Sieg bezahlt. Soweit Lancelot das auf den
ersten Blick feststellen konnte, waren nur noch Sean und
sein Bruder Patrick am Leben, und auch diese beiden waren über und über mit Blut besudelt und schienen Mühe zu
haben, sich überhaupt noch auf den Beinen zu halten.
Lancelot schenkte der ganzen Szenerie jedoch nur einen
flüchtigen Blick, dann war er mit wenigen, schnellen
Schritten neben Gwinneth und ließ sich vor ihr auf ein
Knie herabsinken.
Sie hatte sich angstvoll in die Ecke gekauert, die Beine
an den Leib gezogen und den linken Arm schützend über
das Gesicht gehoben. In der anderen Hand hielt sie wieder
den Dolch, den sie offensichtlich aufgehoben hatte, doch
als Lancelot in ihre Augen sah, wurde ihm klar, dass sie
sich nicht einmal des Umstandes bewusst war, bewaffnet
zu sein, geschweige denn in einer Verfassung, sich zu
wehren. Als er die Hand nach ihr ausstreckte, prallte sie
angstvoll zurück und begann leise zu schluchzen.
»Gwinneth! Ich bin es, Lancelot!«
Im ersten Moment schien es, als würde sie auch auf den
Klang seiner Stimme nicht reagieren. Schließlich erlosch
das Flackern in ihrem Blick. Die Angst jedoch blieb, ein
Anblick, der Lancelot schier das Herz brach.
»Es ist vorbei«, sagte er. »Sie sind fort.«
Gwinneth reagierte immer noch nicht, sondern starrte
ihn weiter auf diese schreckliche Art und Weise an und
Lancelot begriff, dass er jetzt nichts mehr sagen konnte
ohne es schlimmer zu machen. So beließ er es bei einem
letzten traurigen Blick, erhob sich und wandte sich in der
gleichen Bewegung um.
Der Eindruck der Verheerung, der sich ihm bot, hatte
sich nicht geändert, oder wenn doch, so schien er eher
noch schlimmer geworden zu sein. Sean und Patrick knieten neben ihren erschlagenen Brüdern, als gäbe es noch
irgendetwas, das sie für sie tun konnten, und der Wirt hatte
sich trotz der drei Pfeile, die ihn getroffen hatten, hinter
der Theke hervorgeschleppt und lag in einer immer größer
werdenden Blutlache da. Seine Frau war neben ihm auf
die Knie gefallen und hatte die Hände nach ihm ausgestreckt, war aber mitten in der Bewegung erstarrt, als wage
sie es nicht, ihn wirklich zu berühren, und er hörte jetzt
auch aus anderen Teilen des Hauses Schreie und Rufe und
vielleicht sogar etwas, das das Knistern von Flammen sein
mochte. Es hätte ihn nicht überrascht. Er hatte oft genug
gegen die Barbaren aus dem Norden gekämpft um zu wissen, dass sie zerstörten, was sie nicht erobern oder stehlen
konnten.
Er wollte sich Sean zuwenden, machte dann aber mitten
in der Bewegung kehrt und ging stattdessen zu der Frau
des Wirtes hin. Sie hörte seine Schritte und sah hoch, und
sie hätte schon blind sein müssen, um nicht gesehen zu
haben, auf welcher Seite der Silberne Ritter gekämpft hatte. Dennoch war alles, was Lancelot in ihren Augen las,
Entsetzen und ein dumpfer, noch längst nicht ganz erwachter Schmerz.
»Es tut mir Leid«, sagte er. »Er war ein sehr tapferer
Mann. Wenn es Euch ein Trost ist, dann lasst mich Euch
sagen, dass er sein Leben für seine Königin geopfert hat.«
Wieso klangen diese Worte plötzlich nicht anders als
zynisch in seinen Ohren? Er wollte noch mehr sagen, aber
seine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Selbst wenn er
hätte sprechen können, so hätte es ihm das, was er in den
Augen der grauhaarigen Frau las, unmöglich gemacht.
Seine Worte waren kein Trost, sondern mussten auf sie
wie der pure Hohn wirken.
Er hielt ihrem Blick nur noch einen Moment lang stand,
dann wandte er sich mit einem Ruck ab, schob endlich das
Schwert in die Scheide und ging zu Sean und Patrick hinüber. Patrick kniete neben seinem jüngsten Bruder am
Boden, hatte Kopf und Oberkörper des Erschlagenen in
seinen Schoß gebettet und weinte lautlos, aber Seans Gesicht war wie Stein, als er den Kopf hob und Lancelot ansah. Es gab nichts, was er sagen konnte um ihn zu trösten,
und so schwieg er nur einen kurzen Moment und meinte
dann: »Wir müssen weg. Schnell. Sie werden wiederkommen und noch einmal werden wir sie vermutlich nicht
zurückschlagen können.«
Er war nicht sicher, ob Sean seine Worte überhaupt gehört hatte. Der Ire

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