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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tobende grauweiße Wand aus Sturm und
Schnee vor sich ab, prüfte die Schatten und die Bereiche
reiner Bewegung und brüllender Kälte, immer auf der Suche nach einem neuen Opfer, einem weiteren Leben, um
die Gier des Zauberschwertes zu stillen, weiterem warmem Fleisch, in das sich der rasiermesserscharfe Stahl
senken konnte.
    Gwinneth hatte Recht gehabt und er hatte sich geirrt. Er
war bereit gewesen sein Leben zu geben, aber nicht einmal
mehr diese Wahl blieb ihm. Das Schwert würde nicht innehalten, solange es in diesem Lager noch ein einziges
schlagendes Herz gab.
    Vor ihm bewegte sich etwas. Lancelot richtete sich mühsam im Sattel auf, klappte mit der linken Hand das Helmvisier hoch und fuhr sich mit dem Rücken des gepanzerten
Handschuhs über die Augen, um Tränen und Schweiß
fortzuwischen, bevor sie auf seiner Haut zu einer dünnen
Eisschicht erstarren konnten. Einen Moment lang klammerte er sich noch an die Hoffnung, sich geirrt zu haben,
nur ein weiteres Gespenst zu sehen, das Schneesturm und
Dunkelheit erschaffen hatten.
    Aber seine verzweifelten Gebete wurden nicht erhört
und das Schwert in seiner rechten Hand zuckte gierig nach
oben, noch bevor sich die Schatten zusammenballten und
zu den Umrissen dreier weiterer Barbarenkrieger wurden,
die langsam nebeneinander auf ihn zuritten. Zwei von ihnen saßen auf riesigen gepanzerten Schlachtrössern, während der Dritte auf einem halb verhungerten Klepper saß,
der kaum in der Lage schien, sein Gewicht zu tragen. Sie
waren mit Äxten und Schwertern bewaffnet, einer zusätzlich mit einem langen Speer, jeder Einzelne von ihnen ein
wahrer Riese, ungleich breitschultriger und größer als
Lancelot selbst in seiner Rüstung.
    Dem zum Trotz bemerkte Lancelot Angst auf ihren Gesichtern, die Mischung aus Verzweiflung und mutlosem
Aufbegehren in ihren Augen, die aus dem unbedingten
Wissen um ihren bevorstehenden Tod geboren war. Wie
viele noch?, dachte er bitter. Wie viel Blut musste dieses
verfluchte Runenschwert noch trinken, bevor diese Männer begriffen, dass sie es längst nicht mehr mit einem
Gegner aus Fleisch und Blut zu tun hatten, sondern mit
einem Dämon, dessen einziger Daseinszweck das Töten
war?
    Zumindest diese drei schienen es nicht zu wissen. Sie
blieben gerade lange genug stehen, um ihren Gegner genau zu erkennen und sich vielleicht über eine Taktik einigen zu können, dann sprengten sie los, zuerst in einer geraden Linie, die dann plötzlich auseinander brach, wohl
damit sie Lancelot von drei Seiten zugleich attackieren
konnten.
    Es machte keinen Unterschied. Das Einhorn stieß ein
schrilles kampflustiges Wiehern aus und stürzte sich mit
gesenktem Schädel auf den ersten Pikten, um ihn mit seinem schrecklichen Horn aufzuspießen, und Lancelots Arm
zuckte gleichzeitig nach oben und zur Seite, jetzt wirklich
nicht mehr als ein Werkzeug für das verfluchte Elbenschwert, das sich seiner bediente. Lancelot selbst verfolgte das Geschehen mit einer Art distanziertem Entsetzen, so als wäre es gar nicht mehr er selbst, dessen Wüten
er beobachtete, und zugleich einem Gefühl tiefer Leere.
    Sein Schwert prallte gegen die hochgerissene Keule des
Pikten, der ihn von rechts attackierte, und durchtrennte
den Stiel dicht über der Hand des Kriegers; vielleicht kostete ihn der Treffer auch einen oder zwei Finger, denn der
Pikte brüllte vor Schmerz, krümmte sich im Sattel und
stürzte zu Boden, den rechten Arm gegen den Leib gepresst. Praktisch gleichzeitig verspürte er den Schlag, der
ihn nach vorne und fast aus dem Sattel geworfen hätte, als
auch das Horn seines unheimlichen Reittieres sein Ziel
fand und den Brustpanzer des Angreifers so mühelos
durchbohrte wie ein mit aller Kraft geschleuderter Speer
ein trockenes Herbstblatt.
    Lancelot suchte hastig im Sattel wieder nach festem
Halt, ließ das Einhorn auf die Hinterläufe aufsteigen und
zwang es gleichzeitig mit einem harten Ruck am Zügel
herum, um sich seinem letzten verbliebenen Gegner zuzuwenden.
    Um ein Haar hätte ihn die Bewegung das Leben gekostet.
Der Krieger – es war der, der auf dem kleinen, struppigen Klepper ritt, einer Mähre, die normalerweise höchstens zum Packpferd taugte – hatte die Ablenkung, die ihm
seine beiden Kameraden verschafft hatten, genutzt, um
Lancelot in weitem Bogen zu umkreisen und seine Lanze
anzulegen. Die schartige Spitze schrammte Funken sprühend an der gepanzerten Schabracke des Einhorns entlang
und wäre harmlos

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