Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
unleidigen Schnauben eines Pferdes, das bei diesem Wetter lieber im Schutz seines Callabs geblieben wäre. Eine Gruppe Reiter durchquerte die allmählich höher und höher anwachsenden Hügel in Richtung Norden, wo das weite Land von den Ausläufern der Eisenberge begrenzt wurde. Von weitem waren die Männer auf ihren Pferden die einzigen dunklen Flecken in einer weißen Winterlandschaft, was um so verwunderlicher war, als die Zeit nach dem Kalender von Runland mit schnellen Schritten auf die Sommersonnwende zuging.
Seit Tagen hatten sie sich nun schon der grauen Wand aus Granitfelsen genähert, die unmerklich mit jeder weiteren Meile ein wenig am Horizont gewachsen war. Immer, wenn die beiden Priester, die sich mit dem trügerischen Schein von Entfernungen in den Weiten der Steppen nicht auskannten, ihre Begleiter fragten, ob sie bald am Ziel ihrer Reise angekommen seien, schüttelten diese lachend ihre Köpfe.
»Schwarze Fänge noch weit weg«, sagten sie dann. »Viele Hufe. Berge belügen Augen, aber wir wissen. Wir lassen uns nicht Lügen sagen.«
Deneb blinzelte missmutig mit halb zusammengekniffenen Augen zu dem grauen Gebirgsmassiv vor ihnen, scheinbar zum Greifen nahe, aber dennoch mehrere Tagesritte entfernt, und seufzte. »Wenn wir nur schon da wären! Mein Hintern ist bereits völlig plattgesessen, und ich spüre jeden Tritt, den mein Pferd macht, als würde es auf meinem Rücken herumlaufen, statt auf der Erde!«
»Geduld, Geduld!«, mahnten ihn die Nomaden freundlich. »Wir bald am Fuß von Schwarze Fänge. Du sehen!«
Mitunter wechselten sie auch augenzwinkernde Blicke untereinander, wie um sich wortlos mitzuteilen, dass diese Städter ohne sie in jenem wilden Land so verloren wären wie neugeborene Kinder.
Doch an diesem Tag, dem Fünften, seitdem sie das Callab von Eigins Vater hinter sich gelassen hatten, schnellte schon bald, nachdem sie von ihrem Nachtlager aufgebrochen waren, Tirianuks Arm nach vorn. »Ihr seht«, sagte er laut, ohne sein Pferd anzuhalten, »wenn kommt Nacht, wir an den Bergen!«
Pándaros’ Augen folgten dem ausgestreckten Arm des Nomaden, auf dessen Filzärmel sich Schneeflocke um Schneeflocke niederließ, und zog die Kapuze seiner Robe tiefer ins Gesicht, um sich vor der Kälte zu schützen. Die Träumende mochte wissen, woher der Mann die Gewissheit nahm, dass das Ziel ihrer Reise fast erreicht war. Für ihn schienen die Eisenberge kaum wesentlich nähergerückt. Doch er fügte sich achselzuckend in die Erkenntnis, dass die Nomaden sich hier draußen zweifellos besser auskannten, als Leute wie Deneb und er es sich jemals erhoffen konnten.
»Ist gut, dass wir bald da«, sagte ein anderer Nomade. Er musterte unruhig den bedeckten Himmel, der beständig seine weißen, tanzenden Flocken zur Erde fallen ließ. Es waren bereits gut zwei Fuß Schnee gefallen, und den kleinen Pferden der Steppenbewohner fiel es von Tag zu Tag sichtlich schwerer, sich ihren Weg über die verschneiten Hügel zu bahnen.
»Ist viel zu kalt für Sommer. Böses Wetter, böser Zauber. Wenn wir bald da, wir können bald wieder zurück. Im Callab sicher.«
Deneb, der ihn gehört hatte, schielte ebenfalls gen Himmel, als würde der unheimliche Verursacher dieses Schneegestöbers vielleicht seine geisterhafte Fratze zwischen den herabtanzenden Flocken zeigen. »Es wird immer schlimmer«, murmelte er besorgt. »Noch mehr von solchen Wintertagen zu dieser Jahreszeit, und Runland wird eine Hungersnot erleben, wie sie noch nie zuvor dagewesen ist. Die Menschen werden sterben wie die Fliegen.«
»Ich sage dir, es hängt mit dem zusammen, was die Serephin diesem Land antun«, murmelte Pándaros. Er lenkte sein Pferd neben das seines Freundes, um leiser mit ihm reden zu können und zu vermeiden, dass ihre Begleiter sie belauschten. Die beiden Priester waren nie zuvor geritten, aber die Nomaden hatten ihnen zwei ruhige und gutmütige Gäule zur Verfügung gestellt. Inzwischen fiel es ihnen nicht mehr schwer, auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, wenn ihnen auch am Ende jedes Tages alle Knochen schmerzten.
»Die Nomaden haben Angst«, raunte Deneb düster. »Sobald sie uns an den Eingang zu der Mine gebracht haben, werden sie wieder umkehren. Ich hoffe zu den Göttern, dass wir dann schnell Einlass finden, oder unsere Reise in den Norden nimmt ein sehr schnelles Ende – mit uns als steif gefrorenen Schneeleichen!«
»Ich glaube nicht daran, dass Cyrandith uns so weit hat kommen lassen, um uns jetzt kurz
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