Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
volle Wucht der bösartigen Gedankenmagie des Dron’marr schlug in dessen eigenen Verstand ein und zertrümmerte ihn wie das Geschoss einer Belagerungsmaschine eine Steinmauer.
Mit einem Ruck hob Jahanila wieder ihren Kopf, befreit von dem Zauber, der auf ihr gelegen hatte. Sie sah, wie das Wesen, das sich ihnen genähert hatte, in seinen Bewegungen einfror. Die Rauchsäule erstarrte, und für einen winzigen Moment erkannte Jahanila eine hohe, schlanke Gestalt mit einer Vielzahl von Armen und einem langgezogenen, kahlen Kopf, dessen Größe in einem erschreckenden Kontrast zu dem Rest seines Körpers stand, ein hässliches, verwachsenes Ding, dessen Bösartigkeit und Verschlagenheit ihm aus jeder Pore zu triefen schien.
Doch dieser Moment war schnell vorüber. Die Gestalt lief von innen heraus blauschwarz an und verwandelte sich innerhalb weniger Augenblicke in eine Säule aus Asche, ebenso groß, wie zuvor die Rauchsäule gewesen war. Ein Windstoß, der über die Ebene fuhr, zerriss sie sofort und wehte sie davon. Etwas von den Überresten des Dron’marr landete in Enris’ Gesicht, der sich angewidert abwandte und ausspuckte. Auch er und die Wolfsfrau waren wieder im Besitz ihrer Sinne.
Plötzlich schien der Boden um die Kämpfenden herum zu kippen. Serephinkrieger wie Maugrim schwankten. Einige verloren das Gleichgewicht und fielen übereinander, wobei sie immer noch nach Kräften versuchten, die Oberhand zu gewinnen. Der magische Gesang der Verteidiger inmitten der Schlacht erreichte einen Höhepunkt. Alcarasán glaubte, den Verstand zu verlieren. Ihm war, als würde sein Innerstes nach außen gekehrt, als griffe eine Hand in seinen Körper, um ihn umzustülpen wie einen leeren Handschuh. Er sah, wie sich Enris und Neria mit schmerzverzerrten Gesichtern die Ohren zuhielten. Der junge Mann übergab sich laut. Die Schreie der Serephinkrieger um ihn herum füllten seinen Verstand aus.
Es geschieht! Die Falle öffnet sich!
Die Maugrim hatten offenbar begriffen, dass etwas nicht stimmte. Die Dron’marr bewegten sich langsam von dem kläglichen Häuflein an Verteidigern fort, die noch immer blutüberströmt die Öffner des Risses beschützten und mühsam ihre Schwerter umklammert hielten. Auch die Maugrimkäfer hatten sich umgedreht und versuchten, sich zu entfernen, aber vergebens. Es war, als ob sich im Herzen der Hochebene, wo die Verteidiger der Stadt bis zuletzt ihre Magie gewoben hatten, ein unsichtbarer Abgrund aufgetan hätte. Der Boden des Schlachtfeldes war noch immer gerade anzusehen, aber alle Kämpfenden wurden erbarmungslos in seine Mitte gezogen. Keiner der Serephin stand noch aufrecht, doch sie alle sangen weiter unbeirrt mit ihren klaren Stimmen und hielten den Zauber aufrecht. Unter ihre Musik mischte sich das wütende Kreischen und Summen der Maugrim, die zu spät erkannten, dass sie von einem Köder hingehalten worden waren, den sie gänzlich mit Haken und Leine geschluckt hatten.
Die Morgenluft inmitten des Schlachtfeldes flirrte, als würde sie von brütender Hitze angefacht. Ein gleißendes Licht brach aus dem Flimmern hervor. Eine dritte Sonne schien dicht vor Alcarasáns Augen aufzugehen, nicht weit entfernt am Horizont, sondern schier greifbar nahe. Ob Jahanila Recht gehabt hatte und dies ihr Ausweg war, der sich ihnen öffnete? – Es spielte keine Rolle. Er hatte sich in sein Schicksal ergeben. Tränen liefen ihm aus den Augen, die er geblendet schloss, um in eine wohltuende Nacht einzutauchen, ohne quälende Bilder der Vergangenheit, ohne die Gesichter derer um ihn herum, die lange Zeit zuvor bereits schon einmal gestorben waren, und nun zum zweiten Mal, an seiner Seite den Tod fanden. Auch er starb. Er fühlte, wie die Kräfte des Risses ihn auseinanderbrachen. Sein Verstand zerbarst in eine Vielzahl glitzernder Splitter, die wie Staub durch die Dunkelheit schwebten und sich mit dem Widerhall der Stimmen jener vermischten, die mit ihm in den Riss gesaugt worden waren. Er spürte Enris’ und Nerias Panik, als mit den beiden dasselbe geschah. Er fühlte Jahanilas letzte schmerzvolle Gedanken, bei jenen jungen Kriegern verweilend, die mit ihnen fortgerissen wurden und niemals die Häuser der Wiedergeburt finden würden. Und er dachte an Sah’arina, die Kriegerin mit der hellen, klaren Stimme, die an seiner Seite gekämpft hatte und gestorben war, damit sich sein verzweifelter Plan erfüllen konnte.
Vergiss mich nicht!
Die Flamme seines Bewusstseins verlöschte.
Zu den Grenzen
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