Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
Temaripriester«, zischte Manari an seinem Ohr. »Aber so schnell wirst du dich nicht aus dem Leben stehlen. Erst werde ich mir alles aus deinem Verstand herausholen, was ich wissen will.«
Ranárs Augen schlossen sich. Seine Handflächen pressten sich gegen Pándaros’ schweißnasse Wangen. Er hielt den Kopf des Priesters gepackt wie ein Wahrsager seine Kristallkugel. Der letzte Rest an Kraft, der in Pándaros’ Körper verblieben war, rann aus ihm heraus. Sein Geist bestand nur noch aus einer roten Wolke voller Schmerzen und einer Stimme, die sich nicht mehr nach der seines Freundes anhörte, sondern fremdartig wie die goldenen Augen der Echsenwesen um ihn herum war, und unerbittlich wie die Hand des Dunklen Königs auf seinem sich verkrampfenden Herzen.
Zeig mir den Ort, an dem sich der Wächter der Erde versteckt hält! Öffne deinen Verstand für mich, ich befehle es dir!
Verzweifelt biss Pándaros die Zähne zusammen. Sein Plan war gewesen, sich zu wehren, bis er das Bewusstsein verlieren und endlich ins Totenboot steigen würde. Die Serephin würden nichts aus ihm herausbekommen. Aber das Sterben geschah nicht so schnell, wie er es sich erhofft hatte. Stattdessen war Manari in seinen Verstand eingedrungen. Gewaltsam riss sie darin eine Tür nach der anderen auf, leuchtete mit dem gleißenden Schein ihres eigenen klaren Geistes in jede dunkle Ecke. Der Priester klammerte sich an sein Wissen, fest entschlossen, es nicht preiszugeben. Wieder und wieder schrie er Ranárs Namen, erflehte die Hilfe seines Freundes. Doch keine Antwort erklang. Manaris Hände hatten jenen letzten Winkel erreicht, in den er sich zusammengekauert hatte, griffen gierig nach dem ersehnten Wissen um das Versteck des Wesens, das zwischen ihnen und Runlands Vernichtung stand.
Der Schock der Erkenntnis traf sie wie ein Faustschlag.
Das war doch nicht möglich – wie hatte sie so blind sein können!
Hagonerin!
Ein glückseliger Schrei brodelte in ihr empor, als sie zugriff und dem verhassten Temari entriss, was er so hartnäckig vor ihr verbarg. Doch bevor sie ihn ausstoßen konnte, fühlte sie sich mit Gewalt von Pándaros losgerissen. Cesparian hatte sie gepackt. Verärgert über die Ablenkung fuhr sie herum.
»Was zum ...«
»Der Wasserdrache! Er kommt!«
Entgeistert sah sie an seiner Schulter vorbei. Erst jetzt fand der Lärm des aufgeregten Stimmengewirrs um sie herum zu ihr. Die stille Oberfläche des Sumpfes war in Wallung geraten. Eine Welle nach der anderen schwappte über den Rand des Flecken Landes hinweg, auf dem sich die Serephin aufhielten. Schmutzigbraunes Wasser ergoss sich bis zu den Wurzeln der Weide in der Mitte der runden Grasfläche und spülte über die Füße der Krieger.
»Zieht eine Kuppel hoch!«, donnerte Manari.
Diejenigen, die am Rand des Sumpfes Wache gehalten hatten, reagierten sofort auf den Befehl ihrer Anführerin. Sie wichen vor dem über die Ufer tretenden Wasser zurück, während ihre Arme im Gehen durch die Luft fuhren. Schneller und schneller bewegten sie die Hände, als knüpften sie direkt vor ihnen ein unsichtbares Netz. Manari schüttelte Cesparians Hand ab. »Wenn er gedacht hat, er könnte mich erwischen, während ich abgelenkt bin, dann hat er sich getäuscht!«
Sie schloss Ranárs Augen und bewegte tonlos dessen Lippen. Ihr Destaani betrachtete sie zögernd, als wolle er etwas erwidern, besann sich aber und eilte zu seinen Kameraden. Diese hielten mit ihrem Zauber die immer höher anschwellenden Wellen um sie herum davon ab, zu ihnen vorzudringen. Mit angestrengten Mienen vollzogen sie weiter Bewegungsablauf um Bewegungsablauf ihrer Arme. Die Stimmen der Krieger hatten sich zu einem gemeinsamen Kraftgesang zusammengefunden, der sich mit dem Fuß um Fuß steigenden Wasser des Sumpfes um die Wette in die Höhe schraubte. Mit Wucht rollte eine Welle nach der anderen über das feste Land und in ihre Richtung, gelangte aber nicht weiter an die Serephinkrieger und die beiden Temari heran. Sie befanden sich im Inneren einer unsichtbaren Halbkugel, die das Wasser davon abhielt, sie zu erreichen.
Zu Ranárs Füßen sah Pándaros voll Entsetzen und mit schwindenden Sinnen, wie die trübe Sumpfbrühe gleich einer dunklen Wand um ihn und die anderen herum anschwoll. Sie war nun größer als ein aufrecht stehender Mann und wuchs noch immer. Obwohl er bereit gewesen war, zu sterben, als Manari ihm sein Wissen entreißen wollte, verspürte er beim Anblick dieser wachsenden Wassermassen
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