Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
und Angst starrte er den Serephin an, dessen Gesicht sich zu einem Lächeln verzog.
»Ich habe gut zugehört. Wie könnte er nicht dein Freund sein, wenn es dir so offensichtlich am Herzen liegt, ihm zu helfen?«
»Ich ... glaube, dass er nicht völlig verloren ist«, sagte Pándaros mit zitternder Stimme. »Er hat mit mir gesprochen.«
»Wir können jeden Funken Hoffnung gut gebrauchen«, erwiderte Alcarasán zweifelnd. Er blickte zum Himmel, aus dem erneut dicke Schneeflocken auf die weite Moorlandschaft herabfielen. Trotz des anbrechenden Tages hatte die Kälte zugenommen. »Denn jetzt lebt nur noch einer der Wächter dieser Welt, und wenn auch er fällt, ist alles verloren.«
Im Netz der Weberin
In der Sicherheit ihrer verborgenen neuen Heimat grübelte Oláran darüber nach, wie die Endarin ihre Verbindung zu den Menschen aufrechterhalten konnten, ohne sie stärker in ihrer Entwicklung zu beeinflussen, als er es für richtig ansah. Dabei erkannte er schließlich, wie wenig er wirklich über die Wesen wusste, die er und seine Getreuen vor so langer Zeit erschaffen hatten. Selbst nach all den Jahrhunderten eines gemeinsamen Lebens waren sie ihm ein Rätsel geblieben.
Endlich wurde ihm klar, dass er herausfinden musste, was es ausmachte, menschlich zu sein – und es gab nur eine Möglichkeit, dies zu verwirklichen. Er musste sich in einen Temari verwandeln. Sein Ziel war es, ein magisches Ritual zu vollführen, das seinen Geist im Körper eines Menschen zur Welt kommen lassen würde. Er würde ein Leben als Temari unter anderen Temari verbringen. Er würde erfahren, was sie bewegte, und am Ende wie einer von ihnen seiner eigenen Sterblichkeit ins Auge blicken.
Lange arbeitete er daran, das Ritual zu vervollkommnen. Er musste sicherstellen, dass sein Geist am Ende seines menschlichen Lebens wieder in seinen Endarinkörper zurückkehren würde. Außerdem hatte er dafür zu sorgen, dass sein Körper während dieser langen Zeit keinen Schaden nehmen würde.
Schließlich war er bereit, das Wagnis einzugehen, trotz der Warnungen seiner engsten Vertrauten, die er als die Stimmen der Anführer, als Ainsarii, in seiner Abwesenheit mit der Herrschaft über Eilond betraut hatte. Er trennte seinen Geist von seinem Körper. Tatsächlich gelang es ihm, Carn Wyryn nochmals zu finden, und die Herrin des Netzes ließ ihn sein Vorhaben vollbringen. Er wurde als Mensch in Runland geboren.
Doch während Olárans Geist von seinem Körper getrennt war, drang ein Fremder in Eilond ein, der lange, sehr lange Zeit darauf hingearbeitet hatte, seine Vergeltung an dem Anführer der Dunkelelfen zu vollenden. Es war Olárans eigener Bruder Rian, den dieser für tot gehalten hatte. Jahr um Jahr seit seinem Sprung in den Syrneril und seiner Flucht aus Meridon hatte er im Verborgenen gelebt, aber nie weit entfernt von dem Mann, den er für all das Unglück verantwortlich machte, das sein Leben befallen hatte. Er war ein zweimal Verbannter – fortgejagt von den Herrschern der vier Städte in Vovinadhár wie von den Endarinrebellen um seinen Bruder.
Anfangs hatte Rian seinen Hass noch im Zaum halten können, doch je mehr die Zeit voranschritt, desto größer war die Verbitterung in ihm angewachsen. Schließlich lebte er nur noch für ein einziges Ziel: Rache an seinem verhassten Bruder zu nehmen. Nun, Olárans hilflosen Körper in Reichweite, sah er sich endlich am Ziel. Er erschlug die Wächter, deren Aufgabe es gewesen war, ihren Anführer zu beschützen, und schnitt seinem Bruder die Kehle durch. Doch auf dem Höhepunkt seiner Rache ereilte ihn dasselbe Schicksal, das er Oláran zugeteilt hatte. Einem der Wächter, die Rian bezwungen hatte, war es gelungen, Alarm zu schlagen, bevor er endgültig das Leben aushauchte. Der Mörder seines Bruders entkam niemals aus Eilond. Tot sank er zu Boden, noch ehe das Blut seines Opfers an seiner Klinge getrocknet war.
Der Schaden aber, den er angerichtet hatte, konnte nicht ungeschehen gemacht werden. Olárans Geist besaß keinen Körper mehr, in den er hätte zurückkehren können. Ohne diese Verbindung vergaß er völlig, wer er einmal gewesen war. Er wuchs als Mensch in Runland auf, führte ein langes, ereignisreiches Leben und starb schließlich, um erneut als Mensch wiedergeboren zu werden. Den Dunkelelfen galt er als verschollen, und sie trauerten lange um ihren Anführer, ungewiss, ob es ihm jemals gelingen würde, das menschliche Dasein hinter sich zu lassen und in den Häusern der
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