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Runlandsaga - Die Schicksalsfestung

Runlandsaga - Die Schicksalsfestung

Titel: Runlandsaga - Die Schicksalsfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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Serephin, die in Wahrheit ein Einziger waren, blieben allein zurück. Erst jetzt wagte es Alcarasán, das dicht vor seinen Augen herabhängende blaugraue Tuch ein wenig zur Seite zu schieben, so dass er im Schutz des Vorhangs und seiner magischen Tarnung sein jüngeres Ich beobachten konnte. Dieser andere Alcarasán hatte sich an den breiten, steinernen Kamin an der den Fenstern gegenüberliegenden Wand des Raumes gestellt und seine Hände auf das Sims gelegt. Mit hängendem Kopf starrte er in die leere, kalte Feuerstelle. Alcarasán betrachtete sein jüngeres Selbst von hinten, den Serephin, der er vor so langer Zeit einmal gewesen war, in der Nacht der bittersten Entscheidung seines Lebens. Er stand auf der anderen Seite des Zimmers wie ein lebensgroßer Spiegel seiner eigenen Qual, die er jeden einzelnen Tag, der seitdem verstrichen war, mit sich herumgetragen hatte. Ein Teil von ihm sehnte sich danach, leise auf ihn zuzutreten und ihm von hinten eine tröstende Hand auf die Schulter zu legen, als ob es ein Fremder wäre, dessen Leid er zu lindern versuchte.
    Doch er durfte sich nicht von seinem Platz rühren. Ein letzter Akt in dem düsteren Schauspiel jener längst vergangenen Nacht stand noch bevor. Der Becher seiner Qual war noch immer nicht geleert. Er hörte, wie sich die Tür öffnete und sah, wie sich sein jüngeres Ich langsam dem Serephin zuwandte, der in den Raum getreten war.
    Diesmal brachte Alcarasán es nicht über sich, in die Sicherheit seines Verstecks zurückzukehren. Wie zu Stein erstarrt lugte er aus den Schatten hinter dem Vorhang hervor, unfähig, seinen Blick vor dem Schluss jenes Schauspiels abzuwenden.
    »Wie konntest du das nur tun!«, zischte Mincanial leise. Die Mundwinkel in seinem hasserfüllten Gesicht bebten vor Erregung. »Er vertraut dir blind. Das haben immer alle getan. Nur deshalb konntest du ihn derart blenden. Aber so einfältig bin ich nicht!«
    »Mincanial, es tut mir so ...«
    »Spar dir deine Lügen«, spie der Serephinkrieger ihm entgegen. »Denkst du, ich wüsste nicht, dass du neidisch auf ihn bist? Er hat dir doch immer im Weg gestanden, weil er bereits länger in Mehanúr lebte als du! Ein großartiger Spielzug, ihn in den sicheren Tod zu schicken. Gratuliere! Wenn Oláran aus Vovinadhár zurückkehrt, ist der Weg an seine rechte Seite frei.«
    »Wie kannst du mir so etwas vorwerfen«, murmelte Alcarasán erschüttert.
    »Ach, tu doch nicht so, als wäre dir diese Überlegung noch nie gekommen!« Mincanial funkelte ihn so eindringlich an, als wolle er ihm bis auf den Grund seiner Seele blicken. Alcarasán spürte den tastenden Geist des Serephinkriegers, doch er ließ das schwache Sellarat zu. Unvermittelt stieß Mincanial ein bitteres Lachen aus, bei dem es seinem Gegenüber kalt über den Rücken lief, und trat einen Schritt zurück.
    »Du hattest tatsächlich keine Hintergedanken. Fast wäre es mir lieber gewesen, wenn du dich als so heimtückisch herausgestellt hättest, wie ich es zuerst vermutet hatte. Dann hätte ich kein schlechtes Gewissen bei dem gehabt, was ich jetzt tun muss.«
    Ein mattes Glänzen blitzte in dem dämmerigen Zimmer auf, und schon hielt er ein Schwert in seiner Rechten.
    »Aber es ist mir egal. Mein Bruder ist zu stur und zu pflichtergeben, um seine Meinung noch zu ändern. Du hast ihn mir genommen, und dafür werde ich dich bezahlen lassen!«
    Alcarasán rührte sich nicht vom Fleck. Er stand noch immer am Kamin und ließ Mincanial auf sich zuschreiten. Sein älteres Ich sah mit Grauen den verzweifelten Blick in den Augen seines jüngeren Abbildes. Einen Lidschlag lang war er damals versucht gewesen, weiter stehenzubleiben – den Hass des jungen Serephin zu ertragen und sich töten zu lassen für das Leid, das er in dieser Nacht mit seinem Befehl verursacht hatte.
    Doch im letzten Moment, bevor die herabpfeifende Klinge seinen Hals berühren und tief in sein Fleisch fahren konnte, wich er aus, schnell und geschmeidig, wie er es im Kampf immer gewesen war, und ohne nachzudenken. Egal wie sehr er sich auch wünschen mochte, den Schmerz zu beenden – er war eine Kämpfernatur, das hatte er niemals verleugnen können. Schon stand er hinter Mincanial, der mit einem wütenden Aufschrei herumfuhr.
    Ein zweites Schwert prallte klirrend gegen das des jungen Kriegers – Alcarasán hatte es von der Wand neben dem Kamin gerissen.
    »Lass es sein! Du kannst nicht gewinnen, und das weißt du genau.«
    Anstelle einer Antwort wich Mincanial zur Seite

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