Runlandsaga - Feuer im Norden
hätte sie uns finden können, wenn nicht durch Zauberei? Ich sage, wir werfen sie wieder von Bord!« Er zog immer noch sein verstauchtes Bein nach sich, als er auf die Fremde zuging. Sofort hatte die junge Frau ihren Dolch aus der Scheide gerissen. Mehrere der Umstehenden schrien erschrocken auf.
Enris trat Larcaan in den Weg. »Warte! Das ist doch alles Unsinn. Arcad hat vorausgesehen, dass sie kommen würde. Er hat gesagt, dass wir ihre Hilfe bräuchten. Wir müssen sie zu ihm bringen.«
»Lass mich vorbei!«, fuhr Larcaan ihn an. »Du hast mir gar nichts zu sagen.«
Die junge Frau stand immer noch mit gezogenem Dolch hinter Enris. Ihre roten Augen irrten angespannt zwischen den Umstehenden umher, als versuchte sie, jeden von ihnen gleichzeitig im Blick zu behalten.
»Larcaan hat Recht!«, rief Thurnas hinter Escar. »Sie ist gefährlich. Sieh sie dir doch an. Das ist kein Mensch, sondern ein wildes Tier.«
Kaum hatte er seinen Satz beendet, als die junge Frau verächtlich in seine Richtung ausspuckte. Das aufgeregte Murmeln der Umstehenden schwoll an. Larcaan versuchte Enris aus dem Weg zu schieben, während sich gleichzeitig Calach der Fremden von der anderen Seite nähern wollte. Doch sie bemerkte die Absicht des Seemanns sofort und schwang ihre Waffe in seine Richtung. Arene schrie auf.
Laut und schneidend wie ein Peitschenhieb ertönte Suvares Stimme: »Was ist hier eigentlich los, verflucht noch mal?« Ihre Hände schoben grob die Umstehenden zur Seite, als sie sich zu Larcaan und Enris vorarbeitete. Die beiden hatten einander gepackt, bereit, sich zu schlagen. Suvare riss Enris zurück, aber der nahm sie gar nicht wahr. Mit finsterer Miene versuchte er erneut den Händler zu ergreifen, der seinerseits auf ihn zuging. Bevor sich die beiden erneut packen konnten, trat Suvare dazwischen.
»Schluss jetzt!«, herrschte sie beide an. »Sofort! Und Calach, nimm gefälligst dein Messer herunter. Auf meinem Schiff fließt kein Blut, bevor ich es nicht sage, verstanden?«
»Ay, Khor.« Calach trat neben die anderen zurück.
»Seid ihr völlig verrückt geworden?« Ihr Blick schnellte zwischen den beiden Streithähnen hin und her. Enris starrte sie betreten an. Erst jetzt fiel ihm auf, wie lange sie schon nicht mehr an Deck gekommen war. Suvares Gesicht sah eingefallen und müde aus. Tiefe Ringe hatten sich unter ihren Augen gebildet. Selbst ihre flammenden Haare wirkten weniger feurig als sonst. Das Lebendigste an ihr war ihre Stimme, die nichts von ihrem lauten Ton verloren hatte.
»Ich hab es satt, dass sich dieses Großmaul wie unser Anführer aufspielt!«, platzte Enris wütend heraus.
»Glaubst du, ich lasse zu, dass ein grüner Junge über mein Leben entscheidet?«, schrie Larcaan ihn über Suvare hinweg an. »Diese Frau da hat mit denen zu tun, die uns den Wirbel schickten. Du hast selbst gesagt, dass dir während des Sturms ein Bild von ihr erschienen sei.«
»Stimmt das?«, wandte sich Suvare an Enris.
»Ay, das ist wahr.« Er sah kurz zu der fremden Frau hinüber, die nun nicht mehr ihren Kopf gesenkt hielt, sondern ihr Gespräch aufmerksam beobachtete. »Aber ich glaube nicht, dass sie zu denen gehört, die Andostaan zerstört haben. Arcad sagte mir, dass jemand zu uns stoßen würde, um uns zu helfen. Ich bin mir sicher, dass er von ihr gesprochen hat.«
Suvare trat zu der Fremden. »Wie ist dein Name?«
Sie schwieg eine Weile. »Ich heiße Neria«, antwortete sie schließlich mit fester Stimme.
»Sie ist ein Wolfsmensch«, platzte Calach hinter ihr heraus.
»Ich habe selbst Augen im Kopf«, erwiderte Suvare, die weiterhin die junge Frau betrachtete. »Aber ich würde es gerne von dir hören, Neria. Ist das wahr?«
»Ich gehöre zum Volk der Voron«, bestätigte Neria. Enris hörte in ihrer Stimme einen Stolz, den auch ihr schwerer Akzent nicht verbergen konnte.
»Voron?«
»Natürlich!«, rief Arene dazwischen. »Jetzt fällt es mir wieder ein. So wurden die Wolfsmenschen von den Erstgeborenen genannt. Ich weiß aber nicht, was der Name bedeutet.«
»Die ersten Endarin, auf die mein Volk traf, nannten uns so«, sagte Neria. »Wir behielten den Namen. Er gefiel uns.«
»Danke für den Geschichtsunterricht!«, tönte Larcaan. »Erzähl uns lieber, was du von uns willst.«
Nerias Blick verfinsterte sich erneut.
»Ist es wahr, was Enris uns gesagt hat?«, wollte Suvare wissen. »Dass du gekommen bist, um uns zu helfen?«
Sie nickte. »Ich habe euch gesucht. Schon seit Tagen.« Sie
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