Runlandsaga - Feuer im Norden
der Angriff bereits in vollem Gange war.«
Suvare wandte sich widerwillig nickend von ihm ab. »Das stimmt. Aber der Gedanke, dass es in dieser Welt Wesen gibt, die uns beobachten und die sogar, indem sie nichts tun, Einfluss auf unser Leben nehmen, ist verflucht beunruhigend.«
»Mir stellt sich bei der Geschichte dieser Frau eine andere Frage«, warf Enris ein. Er wandte sich an Neria. »Was erwartet dieses Wächterwesen von uns? Wie sollen wir der Gefahr für Runland begegnen?«
»Das kann ich dir nicht sagen«, erwiderte sie. »Ich hatte gehofft, ihr wüsstet mehr.«
»Ich kenne die Antwort auch nicht«, gestand Arcad. »Der Traum der Schicksalsherrin ist ein einziges großes Rätsel. Selbst die, denen die Gabe der Voraussicht verliehen wurde, erblicken immer nur einen Teil der Fäden in ihrem riesigen Netz. Aber was auch immer der Wächter gesehen haben mag, es ist offensichtlich, dass wir alle darin verwoben sind, und dies enger, als wir es bisher angenommen hatten.«
»Was meinst du damit?«
»Es gibt einen Grund dafür, das wir noch am Leben sind. Ranár ist es im Quelor nicht gelungen, uns zu töten. Stattdessen flohen wir vor ihm. Danach glückte es uns, aus Andostaan zu entkommen, auf dem einzigen Schiff, das aus dem Hafen entkommen konnte. Sogar den Angriff der Piraten und den Sturm überlebten wir.«
Ay, bis auf Leute wie Naram und Eivyn, dachte Enris. Und Themets Eltern natürlich. Was sind einzelne Menschen für die Mächte des Schicksals? Verluste, die man verschmerzen kann, solange nur der Rest durchkommt, um das zu tun, was diese Mächte von ihnen erwarten?
Laut sagte er: »Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinauswillst.«
Arcad rang nach Atem, das Sprechen fiel ihm sichtlich immer schwerer. »Wir sind das, was mein Volk ein Dehajár nennt. Eine Schicksalsgemeinschaft. Wir haben uns nicht zufällig alle auf diesem Schiff getroffen. Ich ahnte das schon, als du mir von deinem Sellarat kurz vor deiner Abreise aus Tyrzar berichtetest.«
»Sella ... was ?«, fragte Suvare. Sie sah Enris neugierig an. »Wovon redet er?«
»Das ist eine lange Geschichte«, wehrte Enris ab. »Ich erzähle sie dir bei Gelegenheit.«
»Wer auch immer der Unbekannte war, der dich an diesem Sellarat teilhaben ließ«, fuhr Arcad fort, »er brachte dich dazu, dass du zur rechten Zeit nach Andostaan kamst, um Margon und Thaja kennen zu lernen. Es gibt Wesen, die sich dem Schutz dieser Welt verpflichtet haben. Vielleicht spürten sie die Gefahr seit langem, ohne genaueres über sie zu wissen. Doch die wenigen Lichter im Dunkeln brachten uns zusammen. Nun, da Neria zu uns gefunden hat, ist unser Dehajár scheinbar vollständig.«
»Ich glaube nicht an solche Dinge«, sagte Suvare. »Ich glaube an Magie, denn ich habe sie selbst erlebt. Aber jeder von uns hat einen freien Willen. Wenn das, was du sagst, wahr wäre, dann hätte die Träumende Cyrandith alle unsere Taten bereits vor Äonen vorhergesehen und in Stein gemeißelt. Welchen Sinn hätte ihr Traum dann noch?«
»Bei weitem nicht alle«, erwiderte Arcad. »Wenn dein Bootsmann Teras einen Bolzen auf seine Armbrust legt, dann liegt es in seiner Entscheidung, welches Ziel er sich aussucht und wann er ihn losschnellen lässt. Doch von dem Moment an, da das Geschoss im Flug ist, kann alles mögliche geschehen, was der Schütze nicht mehr unter Kontrolle hat und wovon der Ausgang seines Schusses beeinflusst wird. So ist es auch hier. Die Mächte, die Runland beschützen, haben uns zusammengebracht. Ob wir damit Erfolg haben werden, die Bedrohung für diese Welt abzuwenden, das wissen womöglich nicht einmal sie.«
»Wir müssen Erfolg haben«, murmelte Neria. Alle blickten sie an. Es war das erste Mal, dass sie unaufgefordert das Wort ergriffen hatte. »Unser Wächter hat mir gezeigt, was geschehen wird, wenn wir versagen. Die fremden Wesen, von denen ihr mir berichtet habt, werden nicht nur euch Menschen töten. Auch wir Voron werden umkommen, von den Endarin und den übrigen Völkern ganz zu schweigen. Diese Welt wird auseinanderbrechen. Es wird nicht einmal ein nächstes Leben für die Toten geben. Nur die Leere und das Vergessen.«
»Sie hat Recht«, sagte Arcad. Er sah auf seine Hände herab, die auf den Kissen lagen, als spräche er nur zu sich selbst. »Die Serephin haben bereits den Ersten der Wächtergeister getötet, den meine Vorfahren einst zum Schutz dieser Welt erschufen. Noch sind drei von ihnen am Leben, der Drache des Feuers, der Drache des
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