Runlandsaga - Feuer im Norden
sah Suvare, dass Teras wie ein unruhiges Raubtier in seinem Käfig an der Reling hin- und herlief. Der alte Bootsmann hatte seinen unvermeidlichen schweren Mantel übergeworfen, ohne den er niemals auf Deck zu sehen war. Seine Augen suchten den Pier ab. Wenn er jemanden aus der Mannschaft dabei ertappte, ebenso wie er selbst den Hafeneingang zu betrachten, dann blaffte er ihn an, sich gefälligst nützlich zu machen, anstatt das Gesicht in die Sonne zu halten. Und das nur, um sich dann an denselben Platz zu stellen und mit grimmiger Miene das Treiben an den Docks zu beobachten. Suvare erschien er genauso angespannt wie sie selbst. Sie musste ihn nicht eigens darauf ansprechen, um zu wissen, dass er Larcaans und Thurnas‘ Wort ebenfalls misstraute. Zwar hatte sie den Händler unter den Tisch getrunken, ob sich aber die beiden an die Vereinbarung halten würden, die sie vor Beginn der Wette getroffen hatten, stand auf einem anderen Blatt. Sie war lange genug im Geschäft, um sich nicht zu früh in Sicherheit zu wiegen. Das harte Pochen in ihren Schläfen ließ sie spüren, dass ihre Zweifel, ob die Felle der Handelsstation tatsächlich im Laderaum der Tjalk landen würden, ihren Kater eher noch zum Bleiben einluden, als dass sich dieser durch die voranschreitende Zeit und den salzigen Fisch verjagen ließ.
Wenigstens hatten alle Anwesenden im Schwarzen Anker die Bedingungen der Wette vernommen. Es würde sicher nicht leicht für Larcaan werden, aus dieser Verpflichtung wieder herauszukommen, wenn sie ihm auch durchaus zutraute, die Zeugen der gestrigen Nacht auf seine Seite zu ziehen. Immerhin war dies hier seine Stadt. In Andostaan arbeiteten genügend Leute für ihn. Sie selbst war nichts weiter als eine Fremde, der man letztendlich nichts schuldete.
Suvares Nachmittag verging mit immer nagenderen Gedanken daran, dass sie sich wohl zu früh gefreut hatte. Zweimal tauchte Teras in ihrer Kajüte auf, deren Tür sie nun wieder geschlossen hatte, und wollte sie wegen irgendwelchen Kleinigkeiten sprechen, die er auch gut hätte selbst entscheiden können. Sie kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er nur auf seine etwas unbeholfene Art herausfinden wollte, wie es ihr ging. Beide Male hatte sie ihn mit knappen Worten fortgeschickt.
Schließlich näherte sich über den Pier ein hochgewachsener, junger Mann mit blassem Gesicht, dessen kurzgeschnittenes rotblondes Haar sich bereits zu lichten begann. Es war Thurnas. Als sie ihn an Bord kommen ließ, erfuhr sie von ihm, dass sich die Ankunft der Ladung aus Menelon verzögern würde.
»Natürlich halten wir uns an unseren Teil der Abmachung«, erklärte er leicht empört, als ob Suvare, die ihm schweigend gegenübersaß, ihm bereits vorgeworfen hätte, dass er sich aus der im Anker getroffenen Vereinbarung wieder herauswinden wolle.
»Das ist gar keine Frage. Larcaan und ich stehen grundsätzlich zu unserem Wort, selbst wenn es in betrunkenem Zustand gegeben wurde.«
Er musterte sie mit einem wachsamen Blick aus seinen hellen Augen, wie um abzuschätzen, ob sie auf diesen kleinen Seitenhieb eingehen würde. Suvare gab vor, den letzten Satz überhört zu haben. Sie hatte bisher nichts mit Thurnas zu tun gehabt, sondern nur mit Larcaan selbst, aber sie bekam mit jedem Augenblick mehr das Gefühl, dass dieser Erbsenzähler, der als Buchhalter für die Handelsstation arbeitete, noch unangenehmer war, als die Kaufleute, die ihn angestellt hatten. Sie erwähnte nicht, dass Larcaan noch ziemlich nüchtern gewesen war, als er sich auf das Wetttrinken mit ihr eingelassen hatte. Stattdessen wollte sie wissen, worum genau es sich bei der Verzögerung handelte.
Thurnas, sichtlich missbilligend, dass sie nicht auf seine Bemerkung einging, erzählte von einem längst überfälligen Wagenzug aus Menelon. »Wir wissen auch nicht, warum er immer noch nicht eingetroffen ist«, sagte er, während seine Augen das Innere von Suvares Kajüte musterten, als hätte die Handelsstation mit ihrem Auftrag die Tjalk gleich mit gekauft – seinem Blick nach eine nicht besonders einträgliche Geldanlage. »Eigentlich hatten wir damit gerechnet, dass die Felle schon gestern eintreffen würden. Der Anführer des Wagenzugs ist uns bekannt. Bisher hat er sich immer an seinen Zeitplan gehalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich länger als zwei Tage verspätet. Die Ladung für Euren Auftrag dürfte Euch im schlimmsten Fall morgen erreichen.«
Über sein blasses Gesicht spielte nun der
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