Runlandsaga - Feuer im Norden
zeigen. Schließlich war sie der Khor. So nickte sie nur knapp und nahm einen weiteren Schluck.
»Ay, es kümmert mich nicht, ob wir unseren Kunden in Sol verlieren. Ich will dieses Geschäft mit Larcaan abschließen, selbst wenn er uns danach nie wieder einen Auftrag gibt. Wir ankern so lange im Hafen, bis sie uns diese verdammten Felle an Bord bringen!«
Teras‘ befriedigte Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er für Suvare letztendlich genauso empfand wie sie für ihn. Nur, dass er es sich als Bootsmann leisten konnte, dies auf seinem faltigen Gesicht zu zeigen. So stolz, als wäre der Khor, auf dessen Schiff er diente, seine eigene Tochter, trat er aus dem Raum, um sich die weitere Zeit des Wartens damit zu vertreiben, den Rest der Mannschaft herumzuscheuchen und ein Auge auf den neuen Zimmermann zu werfen.
Suvare blieb in ihrer Kajüte zurück.
Vielleicht lag es daran, dass sich mit Thurnas‘ Besuch doch ein wenig von ihrer Anspannung gelöst hatte, denn immerhin waren die Fronten nun geklärt. Vielleicht hatte ihr Körper einfach auch nur den letzten Rest des Branntweins in ihren Eingeweiden abgebaut. Jedenfalls nahm ihr Kater gegen Einbruch der Dämmerung endlich ab. Sie fühlte sich erleichtert. Nachdem das scheußliche Stechen in ihren Schläfen den Tag über ihr Begleiter gewesen war, hatte sie schon befürchtet, mit Kopfschmerzen einschlafen zu müssen.
Die Sonne war gerade hinter dem Horizont versunken. Ein Dockarbeiter hatte die Öllampen auf der Hafenmauer entzündet. Suvare lehnte an der Reling und dachte darüber nach, dass sie während des Tages kaum etwas in den Magen bekommen hatte, als sie auf dem Pier längsseits ihres Schiffes eine Gestalt bemerkte. Es war ein Mann, der zielstrebig auf die Tjalk zuging. Teras, der den neuen Schiffszimmermann eben zum Essen unter Deck geschickt hatte, war der Ankömmling ebenfalls nicht entgangen. Sofort stellte er sich an die Planke, die das Schiff mit dem Pier verband. Im schwachen Licht der Bordlaternen sah er in seinem schweren Mantel beinahe zweimal breiter aus, als er tatsächlich war. Suvare konnte nicht anders, sie musste schmunzeln. Dem alten Wachhund entging wirklich kaum etwas.
»Achar, Kamerad!« rief der Fremde Teras zu. »Kann ich an Bord kommen? Ich muss mit deinem Khor sprechen.«
»Kommt ganz darauf an, wer dich schickt«, erwiderte Teras. Suvare, die reglos im Schatten stand und beide beobachtete, war sich sicher, dass ihr Bootsmann den Fremden für einen weiteren Besucher von der Fellhandelsstation hielt. Der Blick des Alten schnellte kurz fragend zu ihr hinüber, bevor er wieder auf dem Mann vor ihm ruhte.
»Es ist schon spät, und unser Khor mag es nicht, wenn man ihn beim Abendessen stört«, fügte er dann hinzu.
»Niemand schickt mich«, sagte der Fremde. »Ich spreche für mich selbst.« Seine Stimme klang beinahe beleidigt. Suvare, die ebenfalls geglaubt hatte, dass der Mann etwas mit Larcaan zu tun hatte, war ein wenig verwundert über diese Antwort. Wer in aller Welt wollte sie unbedingt so spät noch sprechen? Wahrscheinlich jemand, dem der Boden in Andostaan zu heiß wurde, und der schnell das Weite suchen wollte.
»Dann sag mir, was du von unserem Khor willst, und ich sag dir, ob du ihn sprechen kannst«, erwiderte Teras knapp.
»Ich habe keine Zeit für diese Spielchen!« Die Stimme des Fremden drang scharf durch die Dunkelheit.
Suvare sah, wie die Gestalt über die Bordplanke auf Teras zuging. Ihr fiel auf, wie klein der Mann war, kaum eine Bedrohung, dennoch wich Teras unwillkürlich einen Schritt zurück, als dieser dicht vor ihm zum Stehen kam. Der Fremde wandte seinen Kopf und blickte direkt zu Suvare in den Schatten.
»Wir sollten besser gleich miteinander sprechen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich kann Euch nicht sehen, aber ich weiß, dass Ihr da seid.«
»Woher ...«, stammelte Teras. Aus weit geöffneten Augen starrte er verblüfft auf sein Gegenüber herab, der ihn anscheinend gar nicht mehr wahrnahm.
»Woher ich das weiß?« Der Fremde blickte weiter in Suvares Richtung, als hätte sie selbst die Frage gestellt.
»Als ich ihm sagte, ich müsse seinen Khor sprechen, sah er schnell zu Euch hinüber, als wolle er jemanden um Rat fragen. So, wie er sich aufbläst, ist er der Bootsmann, und der Einzige, den ein Bootsmann um Rat fragen würde, ist sein Khor.«
Teras‘ buschige Augenbrauen zogen sich auf seiner Stirn wie ein dickes Tau zusammen. Er öffnete den Mund, um eine ärgerliche Erwiderung
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