Runlandsaga - Feuer im Norden
er alles von dem glaubte, was er sagte, ob es sich nun um ein Hirngespinst handeln mochte oder nicht.
»Ihr redet die ganze Zeit von fremden Kriegern, von einer Armee sogar. Wie sollen die denn in die Festung gekommen sein, ohne dass es jemand bemerkt hat? Und woher?«
Arcad seufzte und lehnte sich wieder zurück. In seinen zu großen Kleidern schien er Suvare dabei noch ein wenig kleiner zu werden, als drückte ihn die Last ihrer Fragen in seinen Stuhl.
»Ich sehe schon, ich komme nicht umhin, Euch alles zu erzählen, auch wenn wir dadurch Zeit verlieren.« Er sah auf und blickte ihr in die Augen. Seine Stimme wurde leiser, aber nicht weniger eindringlich. »Aber ich möchte Euch bitten, wenigstens mit mir zur Halle des Rates zu kommen, wenn Ihr Euch schon nicht gleich jetzt entscheiden wollt. Die Herren der Stadt beratschlagen heute Abend in einer Versammlung darüber, wie sie gegen die Besetzung der Festung vorgehen wollen. Ich hoffe immer noch, bei diesem Treffen genügend Leute davon überzeugen zu können, Andostaan so schnell wie möglich zu verlassen. Auf dem Hinweg werde ich Euch alles so gut wie möglich zu erklären versuchen. Dadurch sparen wir etwas Zeit.«
»Bevor ich Euch sage, ob ich mit Euch komme, beantwortet mir eine Frage«, forderte Suvare. Ihre Unruhe war in den letzten Momenten mehr und mehr gewachsen. Dieser Endar hörte sich wie einer der verrückten Weltuntergangspropheten an, die in Sol vor dem großen Tempel des Sommerkönigs die Vorübergehenden mit ihren wirren Offenbarungen aufhielten, bis die Stadtwache wieder einmal genug hatte und sie wegprügelte. Nur, dieser Erstgeborene wirkte alles andere als verrückt. Er schien zwar unter einem enormen Druck zu stehen, als zwinge er seine Ungeduld mit eisernem Willen zu einer äußerlichen Ruhe, aber ansonsten hatte Suvare den Eindruck, er sei bei so klarem Verstand wie sie selbst. War es möglich, dass seine Geschichte von einer Gefahr für die Stadt stimmte?
»Wir erwarten morgen eine wichtige Ladung und müssen in See stechen, sobald die letzte Kiste in unserem Frachtraum steht. Ich habe andere Dinge im Kopf als ein Treffen der Stadtväter. Warum sollte ich mit Euch zu dieser Versammlung gehen?«
»Ihr kennt den Grund«, antwortete Arcad ohne zu zögern. »Weil Ihr der Khor dieser Tjalk seid. Ihr seid für das Schiff und das Leben Eurer Mannschaft verantwortlich. Wenn ich Recht habe, dann ist jeder an Bord der Suvare in Gefahr, solange das Schiffhier im Hafen liegt.«
Der Elf schwieg, auch Suvare sagte nichts.
Schließlich erhob sich Arcad von seinem Stuhl. »Die Versammlung wird bald beginnen. Ich muss gehen und bitte Euch, mit mir zu kommen. Ich weiß, dass es viel verlangt ist, der Aufforderung eines völlig Fremden ohne jede Veranlassung zu folgen. Aber wenn Ihr auch nur den Hauch eines Zweifels hegt, dass ich in Euren Augen nichts weiter als ein Aufschneider oder ein Verrückter bin, dann vertraue ich darauf, dass Eure Verantwortung als Khor Euch die richtige Entscheidung treffen lässt.«
Widerwillig musste Suvare zugeben, dass Arcad genau die richtigen Worte gefunden hatte. Eine nüchterne Stimme in ihr sagte, dass sie diesem Mann keinen Glauben schenken sollte, nur weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben einem Elfen gegenüberstand, der sich für einen der größten Harfenbauer Runlands ausgab. Dennoch begehrte eine zweite Stimme in ihrem Inneren auf, die sie nicht weniger nüchtern darauf hinwies, dass es ihre Pflicht war, allem nachzugehen, was sich als Bedrohung für ihr Schiff und ihre Mannschaft herausstellen konnte. Sie kannte die Stimme gut, denn sie besaß den rauen Ton ihrer Mutter, die sie immer wieder darauf hingewiesen hatte, welche Verantwortung es mit sich brachte, anderen Menschen ein Anführer zu sein.
Wenn jemand auf deinem Schiff anheuert, Suvare, dann verlangt er noch nach mehr als nur danach, von dir seinen Lohn zu bekommen. Er gibt sein Leben in deine Hände, in die Hände seines Khors, denn nur du entscheidest auf See, welchen Kurs du setzt, und was getan werden muss, wenn Gefahr droht. Deine Mannschaft verlangt danach, dass du ständig deine Augen offen hältst, danach, dass du sie beschützt, damit sie schließlich wieder heil von Bord gehen kann.
Sie konnte ihre Mutter in diesem Augenblick nicht nur hören. Sogar Denures Geruch schien plötzlich so eindringlich in Suvares Nase zu strömen, dass sie erschauderte und sich heftig auf die Lippe beißen musste, damit ihr nicht mit einem Mal vor diesem
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