Runlandsaga - Feuer im Norden
kein einziges Wort über Entschädigung mit ihnen gewechselt, sondern gerade verzweifelt versucht hatte, die gespannte Stimmung im Saal zugunsten des Rates zu beeinflussen. Anscheinend ging seine Rechnung auf, denn nach seinem letzten Satz wurde es tatsächlich ein wenig ruhiger im Raum.
»Ich bitte euch aber alle, unser besonnenes Vorgehen nicht mit Schwäche zu verwechseln«, fuhr Tolvane fort. »Die Männer haben sich in Carn Taar verschanzt. Ihr wisst alle, was für eine gute Fluchtstätte die Meeresburg ist. Schließlich hat sie den Menschen dieser Stadt nicht umsonst bis in die graue Vergangenheit hinein als Schutz vor Angriffen gedient. Wenn wir sie dort zu fassen bekommen wollen, dann müssen wir geschickt vorgehen. Deshalb sind wir jetzt hier, um darüber zu beraten, wie wir die Mörder schnell und sicher dingfest machen können.«
»Natürlich«, brummte Arcad so leise zwischen seinen zusammengepressten Zähnen, dass nur Enris und Suvare neben ihm seine Worte hörten. »Das war der hauptsächliche Grund für Tolvanes Versammlung. »Ihm ging es nie darum, die Stadt vor einer Gefahr zu warnen. Er will nur allen zeigen, dass der Rat Herr der Lage ist.«
»Aber sind wir denn tatsächlich dazu imstande, diese Kerle zu überwältigen?«, fragte eine junge Frau in einer der vorderen Bankreihen. Sie hatte sich nicht erhoben, als sie zu sprechen begann, sondern war auf ihrem Platz sitzen geblieben, sodass einige der Anwesenden ihre Hälse reckten, um zu sehen, wer da das Wort an die Ratsherren richtete.
»Wenn sie in der Meeresburg sind, dann können sie sich dort für lange Zeit verschanzen.«
»Ay, wie sollen wir in die Festung kommen?«, rief Baram. »Wenn die Kerle nicht völlig verblödet sind, dann haben sie doch inzwischen bestimmt das Fallgitter am Eingang heruntergelassen. Und ich glaube nicht, dass die nicht wissen, was sie tun. Nicht einmal der Magier mit seinen Zaubern konnte sie aufhalten!« Er griff neben sich und hielt einen Gegenstand hoch.
Enris nahm aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Arcad war einen Schritt nach vorne getreten. Ein unterdrückter Laut der Erregung stahl sich über seine Lippen.
»Margon ist tot!«, rief Baram. »Ermordet wie die Wachleute! Hier, das ist sein Instrument. Ihr kennt alle die Legenden um die Schwarze Elfenharfe. Ich hab sie aus der Festung mitgenommen, als ich geflohen bin. Er hätte sie niemals zurückgelassen, wenn er noch am Leben wäre.«
»Das ist in der Tat Syr!«, rief Arcad.
Der alte Schmied fuhr herum, die Harfe immer noch ausgestreckt in seinen Händen haltend. Er war nicht der Einzige.
Die Augen aller Anwesenden ruhten nun auf dem Endar, der mit schnellen Schritten durch den Raum auf Baram zuging. »Ich war derjenige, der diese Harfe einst gebaut hat. Und ich habe sie Margon vor langer Zeit geschenkt. Von meinen drei Schwarzen Harfen ist nur noch sie übrig.«
Überraschtes Murmeln der Anwesenden begleitete Arcads Schritte. Er erreichte den Schmied. Seine ausgestreckte rechte Hand strich vorsichtig und zärtlich über den geschnitzten Falkenkopf und glitt über den zum Schrei geöffneten Schnabel. Er nahm Baram die Harfe aus den Händen und hielt sie hoch über seinen Kopf wie der Bannerträger eines Heeres die Flagge mit dem Wappen seines Königshauses.
»Ich war heute in Carn Taar!«, tönte seine Stimme laut durch die Halle. »Ich war dabei, als Margon starb, als sich die Hände, die über die Saiten dieses Instrumentes strichen und es zum Leben erweckten, gegen ein Übel stemmten, das größer ist, als ihr alle ahnt.«
Sein Blick schweifte kühl über die verwunderten und erschrockenen Gesichter der Männern und Frauen um ihn herum und ruhte zuletzt auf Tolvane und den anderen Ratsmitgliedern auf ihrem Podest.
»Er opferte sein Leben, um mir und meinen Freunden hier«, er wies auf Enris und Mirka, die vor ihm standen, »die Flucht zu ermöglichen. Er verschaffte uns Zeit, damit wir aus der Festung entkommen und euch alle warnen konnten. Ihr ahnt nicht, in welcher Gefahr ihr schwebt. Margons Magie rettete ihn nicht. Ebenso wenig werden eure Waffen etwas gegen diese Bedrohung ausrichten können. Die einzige Art, wie ihr am Leben bleiben könnt, ist Flucht. Verlasst die Stadt, zu Land oder mit den Schiffen, die gerade im Hafen liegen! Die Toten, die es heute in der Meeresburg gab, waren erst der Anfang!«
»Wer seid Ihr?«, wollte der Ratsherr mit dem Kindergesicht wissen. Seine runde Stirn glänzte feucht im Schein der Öllampen, und
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