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Runlandsaga - Feuer im Norden

Runlandsaga - Feuer im Norden

Titel: Runlandsaga - Feuer im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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Menschen anzogen als die Rituale im Tempel. Es war die Welt der Geschichten, die ihn damals schon in ihren Bann geschlagen hatte, lange bevor er eine ganze Nacht hindurch einem unbekannten alten Mann der Geschichte von einem Harfner namens Margon gelauscht und sich entschlossen hatte, seine Heimat zu verlassen und in die Fremde aufzubrechen. Wenn die Lichter im Theatersaal ausgelöscht wurden, wenn die lauten Gespräche zu allen Seiten wie auf einen unsichtbaren Befehl hin zu einem Raunen versickerten und allmählich erstarben, wenn der schwere, schwarze Vorhang zurückgezogen wurde und eine Welt im Kleinen ins Leben rief, dann war dies für den Jungen, der sich an der Hand seines neben ihm sitzenden Vaters festkrallte, ein wahrhaftiger Zauber. Davon war er überzeugt. Es konnte doch nichts anderes sein als Magie, wenn das, was vor einem auf dieser Bühne geschah, einem das Herz öffnete, es einen zum Lachen wie zum Weinen brachte, als nähme man selbst an den Ereignissen teil. Erschien dann am Ende des Stückes noch der Held, dessen Tod die Zuschauer gerade entsetzlich erschüttert hatte, plötzlich lebendig und lächelnd vor dem Vorhang, um sich in donnerndem Beifallsrauschen zu verbeugen, dann hatte sich das Wunder erfüllt.
    Das Podest am Ende der Ratshalle war keine Theaterbühne. Es wurde von einem langgezogenen Tisch ausgefüllt, hinter dem mehrere wuchtige Lehnstühle aufgestellt worden waren, sodass sie dem Ganzen den Eindruck einer höfischen Festtafel gaben. Dennoch konnte sich der junge Mann nicht des Gedankens erwehren, dass er gerade Zeuge eines Schauspiels wurde. Was auch immer in den nächsten Augenblicken beginnen mochte, es war Theater – sowohl für die Anführer der Stadt, wie für die Masse. Keiner der Anwesenden, weder die Leute in den Bänken, noch die Ratsmitglieder, die gleich in ihren Stühlen Platz nahmen, hatten Enris‘ Erlebnisse geteilt. Sie würden Arcad und ihm nicht glauben.
    Eine schnelle Bewegung hinter einer der Säulen zu seiner Linken riss ihn aus seinen Gedanken. Aus den Augenwinkeln bemerkte er einen feuerroten Haarschopf und sah Mirka, der rückwärts aus einer der Bänke kletterte. Schnell trat er zu ihm, während Arcad und Suvare weitergingen.
    »Hast du deine Mutter hier irgendwo gesehen?«, fragte er leise.
    Der Junge schüttelte den Kopf. Seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich. Enris legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Vielleicht hat Helja nichts davon gehört, dass sich der Rat heute Abend trifft.«
    Mit einer schnellen Bewegung schüttelte Mirka die Hand des jungen Mannes ab. Er vermied es, ihm direkt ins Gesicht zu sehen, und gab ein schnaubendes Geräusch von sich.
    »Na klar, sie hat nichts gehört«, murmelte er. Seine Stimme war rau von verhaltenem Ärger. »Die denkt doch die ganze Zeit an nichts anderes als an ihren neuen Kerl. Ich seh sie ja kaum noch.«
    »Und du weißt wirklich nicht, wo der Freund deiner Mutter wohnt? Wir könnten nach der Versammlung dorthin gehen und ihr erzählen, was passiert ist.«
    Für einen Moment sah Mirka Enris in die Augen, ein kurzes, blaues Aufblitzen, bevor er wieder seinen Kopf senkte. »Nein, weiß ich nicht!«, stieß er laut hervor.
    Eine junge Frau hinter ihm drehte sich neugierig zu ihm um. Zum ersten Mal, seit sich in der Festung die Ereignisse des Tages überschlagen hatten, tauchte wieder etwas von dem Jungen, der den alten Baram mit seinen Frechheiten zur Weißglut gebracht hatte, an die Oberfläche. Enris, der ihn bisher nur verschüchtert und still erlebt hatte, war überrascht.
    »Sie hat mir ja noch nicht mal gesagt, dass sie überhaupt einen neuen Freund hat. Ich hab‘s nur mitbekommen, weil einer der beiden Männer, die für meine Mutter arbeiten, es erzählt hat. Wenn ich nicht heimlich mitgehört hätte, dann wüsste ich es immer noch nicht. Sie macht ein Riesengeheimnis draus – als ob mich das kümmern würde, mit wem sie ins Bett geht!«
    Die Wut in seiner Stimme sagte etwas ganz anderes, aber Enris schwieg. Der Gedanke kam ihm, dass der Junge letztlich genauso alleine war wie er selbst. War das Schicksal, das die Hohe Göttin Cyrandith träumte, und das ihn von Tyrzar hierher gebracht hatte, wirklich etwas so Einzigartiges oder Besonderes, etwas, das ihn von allen anderen trennte? Bisher hatte er es geglaubt. Aber wenn man es genau betrachtete, gab es hier am nördlichen Rand der Welt eine Menge Einsamkeit.
    Während der Lärm der sich unterhaltenden Menschen ihn umgab, sie alle

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