Runlandsaga - Feuer im Norden
offen ließen. Ihre hellen Rüstungen schimmerten silbern im Schein der Fackeln und verliehen ihnen ein unwirkliches Aussehen, wie eine Ansammlung von Totengeistern, die einen verwünschten, nächtlichen Ort heimzusuchen.
Aber die Pfeile, die sie dir um die Ohren schießen, sind verdammt wirklich, zischte jene unhörbare Stimme in ihm, die ihn so sehr an die von Arcad erinnerte. Also starr die Krieger nicht an, sondern lauf!
Mit eingezogenem Kopf stürmte er, so schnell wie möglich, rechts von dem Pfad, der zur Stadt hinabführte, über den Hang. Der Halbkreis der Angreifer endete dort. Wenn er schnell genug war, schaffte er es vielleicht in einem Bogen an ihnen vorbei. Es war die einzige Möglichkeit, den Hafen zu erreichen. Er hoffte inständig, nicht im Dunkeln über einen Stein zu stolpern oder in ein Kaninchenloch zu treten, aber er konnte es sich nicht leisten, langsamer zu laufen und auf seine Füße zu blicken. Er musste die Angreifer im Auge behalten.
Am Rand seines Blickfelds sah er, wie ein Krieger in der Reihe seinen Arm hob und auf ihn zeigte. Diese Geste versetzte Enris in größte Angst, mehr als in dem Moment, als ihn mehrere Pfeile nur knapp verfehlt hatten. Da hatte er nicht gesehen, wer versucht hatte, ihn zu töten. Nun war es anders. Der ausgestreckte Arm war wie eine Ankündigung, ihn zur Strecke zu bringen, wortlos ausgesprochen von der unheimlichen Gestalt in ihrer silbern schimmernden Rüstung, deren Gesicht im Verborgenen lag.
Der Krieger hatte kaum auf ihn gezeigt, als sich auch schon derjenige aus der Angriffslinie, der Enris am nächsten stand und bisher mit seinem Bogen auf die Ratshalle gezielt hatte, ihm zuwandte. Zum Glück war es ein gut sichtbarer Brandpfeil, der auf ihn zugeflogen kam. Ohne langsamer zu werden, warf sich Enris mitten im Laufen ins taunasse Gras. Das Geschoss schwirrte über ihn hinweg, ein Finger aus Feuer, der in seine Richtung gewiesen hatte wie die Hand des anderen Kriegers wenige Momente zuvor. Sofort sprang er wieder auf und rannte weiter.
Zu seiner Linken lag der Weg, der nach Andostaan führte. Vor ihm erstreckten sich die ersten Gebäude des Stadtrands. Enris warf einen Blick über seine Schulter, obwohl sein Verstand ihn warnte, lieber nach vorne zu sehen, um nicht zu straucheln. Doch er konnte nicht anders. Er musste wissen, ob er verfolgt wurde.
Er sah, dass einer aus der Gruppe, die das Gebäude in Brand steckten, ausgebrochen war, und ihm hinterhersetzte. Er war sich nicht sicher, ob es sich um den handelte, der schon den Brandpfeil auf ihn abgeschossen hatte, aber das war ihm gleich. Der Angreifer wollte ihn töten, das war alles, was er wissen musste. Enris schwenkte über den Hang nach links auf den Weg zurück, um dort schneller voranzukommen als auf der Wiese, deren Beschaffenheit er nicht kannte.
Nach Atem ringend blickte er ein weiteres Mal im Laufen zurück. Der einzelne Krieger verfolgte ihn immer noch. Er hatte sogar den Abstand zu ihm verringert und holte weiter auf. Enris fragte sich verzweifelt, wie sein Verfolger in voller Rüstung beinahe lautlos und vor allem so unheimlich schnell vorankommen konnte. Trotz seiner Erschöpfung versuchte er seine Anstrengungen noch zu vergrößern. Die Muskeln in seinen Beinen schrien widerspenstig auf. Bei jedem Einatmen fuhren Stiche durch seinen Bauch, aber er stürmte weiter den Weg entlang, zu dessen beiden Seiten nun die ersten Gebäude Andostaans aus den Schatten wuchsen. Die Laternen in seiner Nähe leuchteten nicht. Vor sich vernahm er laute Rufe von anderen Flüchtenden und sah entfernte Lichter von Fackeln in den Strassen tanzen. Die gesamte Stadt war in Aufruhr.
Er blickte erneut zurück. Sein Verfolger war stehengeblieben, hatte den Bogen gespannt und auf ihn angelegt, aber Enris konnte nichts brennen sehen. In der Dunkelheit war es ihm nicht möglich, den Pfeil zu erkennen.
Enris war es unmöglich, weiterzulaufen. So musste sich ein kleines Tier fühlen, das von einer Schlange angestarrt wurde. Einem Brandpfeil, dessen Leuchtspur weithin zu sehen war, konnte er ausweichen. Aber wie sollte er wissen, wann der verdammte Kerl hinter ihm seinen Pfeil durch die Dunkelheit schießen würde?
Weder Enris noch der Krieger bewegten sich, als sei die Zeit angehalten worden, wenn sie sich auch außerhalb von ihnen weiter fortbewegte. Der junge Mann nahm wahr, wie die Flammen hinter dem Angreifer das Dach der Ratshalle erreicht hatten und sich hoch in die Dunkelheit reckten. Das Gebäude hatte
Weitere Kostenlose Bücher