Runlandsaga - Feuer im Norden
aufzurichten, während das Blatt der Axt noch immer tief in seinem Fleisch steckte.
Die junge Frau war neben dem Gorrandha in die Knie gegangen und riss keuchend an ihrer Waffe, aber das Blatt löste sich nicht. Es floss auch keinerlei Blut. Die Haut des Wesens hatte sich sofort um die Waffe geschlossen.
Nerias Augen starrten ungläubig auf die Wunde, die so gar nicht wie eine aussah.
Wie kann es sein, dass er nicht verletzt ist?
Fauchend und knurrend wie ein wildes Tier versuchte sich der Gorrandha umzudrehen, um die hartnäckige Beute in seinem Rücken mit seinem Blick einzufangen. Neria stemmte sich gegen dessen Bewegung. Doch die Anstrengung ging über ihre Kräfte. Alles vor ihren Augen begann sich zu drehen, und sie kippte vornüber auf ihren Gegner. Ihr Gesicht berührte dessen fahle, klamme Haut. Ekel stieg bitter in ihrer Kehle empor.
Der Gorrandha war trotz der Axt, die in seinem Rücken steckte, offenbar nicht im mindesten entkräftet. Er wand sich unter dem Gewicht der jungen Frau, bemüht, sie abzuschütteln. Neria fühlte, wie ihre verbliebene Kraft aus den noch immer unterkühlten Gliedern zu schwinden begann. Gleich würde das Ungeheuer sie abgeschüttelt haben! Wie ein Blitz durchzuckte sie die Erinnerung an das, was sie in der Geborgenheit ihres weit entfernten Dorfes am Lagerfeuer über die hungrigen Geister gehört hatte.
Seinen Kopf! Ich muss seinen Kopf abschlagen, das ist die einzige Möglichkeit, ihn zu töten. Aber dazu muss ich die Axt freibekommen, und wenn ich sie löse, kann er mich mit seinem Blick fangen!
Dennoch war es die letzte Gelegenheit, und sie wusste es. Der Gorrandha stemmte sich ruckartig gegen sie. Der Geruch, den er verströmte, ließ Neria würgen, ein fauliger Aasgestank, als bestünde das gesamte Innere dieses dürren, aber unglaublich zähen Körpers aus verwesendem Fleisch. In den heftigen Bewegungen des Wesens rutschten ihre Hände von dem Axtgriff ab, fanden ihn aber erneut und zogen daran mit allem, was Neria noch an Kraft aufbringen konnte. Das Blatt löste sich und glitt mit einem schmatzenden Geräusch aus der Wunde, die sich gleich wieder schloss, als wäre sie dem Gorrandha niemals zugefügt worden. Sofort bäumte sich das Ungeheuer auf. Neria wurde nach hinten geschleudert, hielt die Axt aber immer noch fest umklammert.
Brüllend fuhr der Gorrandha herum. Mit ausgestreckten Armen sprang er auf Neria zu, die Augen so weit aufgerissen, dass sie sein ganzes Gesicht auszufüllen schienen – ein Geist, besessen davon, alles Lebendige in sich aufzunehmen und zu verzehren, worauf immer sein Blick fiel.
Doch Neria hatte ihre Augen fest geschlossen. Die Wölfin brauchte nicht zu sehen.
Ich kann fühlen, wo du bist, Miststück!
Der Hieb mit der Axt durchtrennte dem Gorrandha fast zur Hälfte den Hals. Diesmal schloss sich die Wunde nicht um das Metall, doch wie bei der ersten Verletzung floss kein Tropfen Blut. Immer noch blind riss Neria die Waffe zurück. Ein gurgelnder Schmerzensschrei entfuhr ihrem Gegner, dann ging er taumelnd in die Knie. Neria stand über ihm, schwang die Axt und hieb von oben auf seinen Nacken. Doch erst mit dem dritten Schlag gelang es ihr, den Kopf des Gorrandhas abzutrennen, der polternd zu Boden fiel. Für einen Moment hielt sich der Rumpf des Ungeheuers weiter aufrecht, bevor er schließlich vornüber kippte.
Neria hielt die Axt weiterhin so fest umklammert, dass die Knöchel ihrer Finger selbst im trüben Licht der Kammer weiß schimmernd hervortraten. Erst jetzt hatte sie ihre Augen geöffnet. Nach Atem ringend beobachtete sie, wie die Überreste des Wesens in sich zusammenfielen. Die bleich glänzende Haut des Gorrandhas begann rasch stumpf zu werden, während sie mehr und mehr verschrumpelte. Die Falten vergrößerten sich zu Rissen, aus denen eine zähflüssige Masse quoll, dunkelbraun und einen so ekelerregenden Fäulnisgeruch verströmend, dass Neria würgend zurückwich. Die Masse war kaum herausgeplatzt, als sie sich auflöste. Binnen kurzem war auf dem Steinboden des Cairans von dem verstümmelten Körper nichts weiter mehr übrig geblieben als ein Häufchen verschrumpelter Haut und einem Büschel schwarzer Haare.
Neria glitt die Axt aus den Händen. Langsam ließ sich die junge Frau neben Sarn auf dem Boden nieder. Es dauerte eine Weile, bis sie genügend Kraft gefunden hatte, um sich zu ihr zu beugen und in ihren Hosentaschen nach der Flasche mit dem Branntwein zu suchen. Als sie ihn endlich in den Händen hatte,
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