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Runlandsaga - Feuer im Norden

Runlandsaga - Feuer im Norden

Titel: Runlandsaga - Feuer im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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musst dir also keine Sorgen machen.«
    Neria war erleichtert. Sie hatte überlegt, wie sie die alte Frau nach ihrem Wissen über die Voron ausfragen konnte, ohne die ihr zuteil gewordene Gastfreundschaft zu beleidigen. Denn Gast in einem fremden Haus zu sein, war im rauen Norden Runlands nicht nur für denjenigen eine heilige Pflicht, der einem Fremden seine Tür öffnete. Auch der Gast hatte sich zu beherrschen und Gespräche zu vermeiden, die zu Streit und Auseinandersetzungen führen konnten. Nun hatte Sarn selbst die heikle Angelegenheit angesprochen und schneller auf eine Frage geantwortet, als die junge Frau sie in Worte hatte fassen können.
    Dennoch war Neria noch nicht völlig zufriedengestellt. Sie dachte an den Menschen, den sie erst vor wenigen Tagen in Wolfsgestalt nahe ihres Dorfes getötet hatte. Obwohl eine innere Stimme sie drängte, ihr Glück nicht herauszufordern, antwortete sie der Alten. »Du weißt, dass meine Leute andere von deinem Volk umgebracht haben. Dennoch hast du mir das Leben gerettet und mich in deinem Heim aufgenommen. Warum?«
    Sarn blickte sie lange schweigend an, während sie an ihrer Pfeife zog und den Rauch ausstieß. Im Raum war kein anderes Geräusch zu vernehmen, nur das leise Blubbern des Kessels auf dem Feuer. »Weil der Tod zum Leben im Wald gehört, so wie der Winter auf den Sommer folgt«, meinte sie schließlich ernst. »Die Jäger und Fallensteller aus meinem Volk wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie in die Wildnis gehen. Außerdem kann ich deine Leute gut verstehen. Ich mag es selbst nicht, wenn man mir über die Schulter und in meine Töpfe schaut. Deshalb lebe ich auch hier draußen, und nicht unter meinesgleichen.« Sie erhob sich, um nach dem Eintopf zu sehen.
    Mit einer ungeduldigen Bewegung strich sich Neria ihre Haare, die vom langen Liegen strähnig geworden waren, aus dem Gesicht und dachte über Sarns Worte nach, während sie die Handgriffe der Alten an der Feuerstelle beobachtete.
    Diese Frau war anders, als sie sich jene aus dem Menschenvolk immer vorgestellt hatte. Eigentlich war sie den Voron gar nicht so unähnlich. In ihrer Gegenwart fiel es schwer, die Menschen für ihre Gier und ihre Rücksichtslosigkeit zu verachten, mit der sie sich wie hungrige Wanderheuschrecken über Runland ausgebreitet hatten.
    Noch vor ein paar Wochen hätte ich sie getötet, wenn sie in unser Gebiet eingedrungen wäre. Wenn ich jetzt in der Nähe der Alten Stadt auf sie treffen würde, dann wäre ich mir nicht mehr so sicher, was ich täte. Sie ist anders. Was ist, wenn mehr Menschen so sind wie sie, anders, als unsere Alten es erzählen?
    »Wie kam es dazu, dass du dich dazu entschieden hast, allein im Wald zu leben?«, fragte sie laut.
    Sarn drehte sich nicht zu ihr um. Sie war damit beschäftigt, einen von der Decke hängenden Bund aus getrocknetem Rosmarin abzuschneiden. »Das ist eine lange Geschichte. Aber wenn ich sie mit einem Satz erzählen müsste, dann würde ich sagen: Ich denke, ich war irgendwann die Gesellschaft der Menschen leid.«
    Plötzlich durchzuckte Neria eine Erkenntnis. »Du bist eine Hexe, nicht wahr?«
    »Was?«, gab Sarn zurück, ohne darin innezuhalten, etwas von dem Rosmarin in einem Mörser zu zerkleinern.
    »Du gehst die Wege der Erdmagie, siehst Dinge, die andere Menschen nicht sehen. Du wusstest von dem Gorrandha an den Riesenfelsen. Dir war auch bekannt, dass sich weiter östlich von hier das Gebiet meines Stammes befindet.«
    Die alte Frau hob den Deckel des Topfes über dem Feuer an und streute den Inhalt des Mörsers über das Essen. »Das würde ich keine Magie nennen«, erwiderte sie. »Ich nenne das: Augen und Ohren offen halten. Ich weiß eben gerne, wer sich in meiner Nachbarschaft aufhält. Ist das so ungewöhnlich?«
    »Für einen Menschen schon. Die wenigen, die jemals in unser Gebiet kamen, waren auf eine eigenartige Weise wie blind. Dabei waren sie bestimmt gute Jäger, sonst hätten sie nicht lange im Roten Wald überlebt. Aber keinem von ihnen wäre es je gelungen, sich an einen von uns heranzuschleichen. Sie bemerkten unsere Anwesenheit immer erst dann, wenn wir uns entschieden, uns zu zeigen. Nein, es braucht besondere Augen und Ohren, um von uns zu erfahren.«
    Unruhig warf Neria ihre Decke zurück und erhob sich von ihrem Lager, um im Raum umherzugehen. Sie hatte das Gefühl, sich endlich wieder bewegen zu müssen, nachdem sie nun wusste, wie lange sie geschlafen hatte. »Doch das ist noch nicht alles, was mir

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