Runlandsaga - Sturm der Serephin
schnellen Geste vor die Augen, die Handfläche gegen sein Gesicht zeigend. Margon wusste, dass die Elfen diese Geste häufig vollführten, wenn sie über die Träumende Cyrandith sprachen. Oft ergänzten sie dies durch einen Satz: Ve maar jeo cinar – ›Meine Augen sind weit offen‹. Es bedeutete, zwischen den gespreizten Fingern vor den eigenen Augen hindurchzusehen auf die Welt, die dahinter lag, die Fäden der einzelnen Schicksale wahrzunehmen und das gewaltige Netz dahinter zu erkennen, das sie alle miteinander verwob.
Gleich darauf senkte Arcad die Hand wieder.
»Aber ist euch je in den Sinn gekommen, dass wir schon länger von euch wissen könnten als seit der Zeit, in der ihr das Portal nach Runland fandet?«
Nun war es Thaja, die eine Hand hob, wenn auch nicht vors Gesicht, sondern in einer ausladenden Geste, die Margon, der sie gut genug kannte, verriet, dass ihre Geduld zu Ende ging.
»Bitte, Arcad«, sagte sie ruhig, aber deutlich, »keine weiteren Rätsel, keine Fragen an uns, keine Spiele! Sagt uns einfach, was wir erfahren wollen, und sagt es jetzt . Was glauben die Endarin, über uns zu wissen?«
Arcad setzte zu einer Antwort an, doch in diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Turmzimmer.
»Es tut mir Leid, eure gemütliche Geschichtsstunde zu unterbrechen«, sagte der Mann im Eingang. Er warf die Kapuze seines dunklen Umhangs zurück. Seine durchdringenden blauen Augen waren auf den Elfen gerichtet, seine Stimme klang belustigt.
»Aber mal ehrlich: Wen könnte dieses alte Zeug schon interessieren, wenn man nicht gerade ein Erstgeborener ist?«
Margon, Thaja und Enris fuhren herum. Gleichzeitig schritt der Mann mitten in den Raum und trat vor Arcad, der sich nicht von seinem Platz an der Fensterbank wegbewegt hatte und ihn erschrocken anstarrte.
»So schnell treffen wir uns also wieder«, sagte der Unbekannte freundlich. »Ich hätte nur ungern gesehen, dass du bei den Fischen gelandet wärst. Schließlich brauche ich dich noch eine Weile.«
Arcads Miene wirkte wie versteinert. Weder rührte er sich, noch erwiderte er etwas. Der Mann drehte sich zu den anderen um.
»Oh, ich vergaß, mich vorzustellen. Ihr könnt mich Ranár nennen.«
»Wer seid Ihr?«, rief Thaja. »Was wollt Ihr hier?«
Sie begann, sich zu erheben. Der Eindringling wandte ihr mit einer ruckartigen Bewegung den Kopf zu.
»Bleib, wo du bist, Temari!«, herrschte er sie an.
Im dem Moment, als er sie ansah, fühlte Thaja einen dumpfen Druck gegen ihre Brust, der sie unerbittlich auf den Stuhl zurückdrückte.
Gleichzeitig durchzuckte Margon der Gedanke: Das ist er! Das ist der Mann, für den die Kerle arbeiten, von denen Enris sprach! Er ist einfach hier hereingekommen, und niemand konnte ihn daran hindern!
Er erhob sich ebenfalls, doch der dunkelhaarige Fremde hatte die Bewegung aus den Augenwinkeln bemerkt und blickte ihn durchdringend an. Der Magier spürte eine Welle heißer Luft gegen seinen Oberkörper prallen und wurde zurück auf den Stuhl geschleudert. Die Wucht des Stoßes war so heftig, dass es ihm vorübergehend den Atem verschlug. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Die Beine des Stuhls wurden durch die rückwärtige Bewegung seines Körpers auf dem Steinboden zurückgeschoben und protestierten quietschend.
Was für eine Kraft von diesem Fremden ausgeht ! schoss es Margon durch den Kopf, während er nach Luft rang. Obwohl er Magier war, hatte er selbst nie derartige Kräfte besessen. Auch hatte er bisher nur wenige Wesen getroffen, die zu dem in der Lage gewesen waren, was der Unbekannte gerade mit ihm angestellt hatte. Was, bei allen Göttern, war dieser Mann? Ein Mensch? Ein Endar? Nein, er besaß nicht die spitzen Ohren eines Elfen.
»Stell dich mir nicht in den Weg!«, warnte ihn Ranár. »Das gilt auch für dich, mein junger Freund!« Ein Seitenblick schnellte zu Enris, der die Gestalt in dem schwarzen Umhang anstarrte wie ein Kaninchen eine Schlange. Sein Albtraum der vergangenen Nacht war Wirklichkeit geworden.
»Ich will hoffen, dass niemand hier so dumm ist, mich angreifen zu wollen«, fuhr Ranár fort, während er sich wieder Arcad zuwandte. »Außerdem: Unten im Hof warten einige Leute, die sich deinen Freunden hier zum Teil bereits vorgestellt haben. Selbst wenn einer von euch einen günstigen Moment nutzen und aus dem Raum laufen würde, er käme nicht weit. Heute gehört Carn Taar mir!«
»Die Wache«, murmelte Arcad. Sein Blick irrte zu Margon. »Wie ist er an der Wache
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