Runlandsaga - Sturm der Serephin
menschenähnlicher zu erscheinen. Im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende gaben sie die Fähigkeit auf, andere Formen anzunehmen oder sich in ihre ursprüngliche Gestalt zurückzuverwandeln. Ihre Nachkommen, die in Runland zur Welt kamen, lernten das Gestaltwandeln gar nicht mehr, sondern wurden bereits mit dem Aussehen ihrer Eltern geboren. Aber sie behielten dennoch manche ihrer ursprünglichen Kräfte, wie ihre alterslose Erscheinung.«
»Oder die Leichtigkeit, mit der sie das Wissen um die Verborgenen Dinge aufnehmen und Magie wirken können«, fügte Margon hinzu.
Arcad verzog verächtlich den Mund. Als hätte ihn dies auf eigenartige Weise mehr angestrengt, als zu reden, schüttelte ihn ein erneuter Hustenanfall.
»Ihr nennt das Leichtigkeit?«, fragte er schließlich. »Es ist kein Verdienst meines Volkes, diese wenigen Brotkrumen unseres ursprünglichen Wissens und Könnens die Zeitalter hindurch bewahrt zu haben. All das ist nur ein Schatten der Fähigkeiten, die wir einst besaßen, eine flüchtige Erinnerung an die tatsächliche Leichtigkeit, mit der wir es gewohnt waren, das Schöpferische Wort auszusprechen, als die Mächte des Chaos und der Ordnung noch im Gleichgewicht waren – vor dem Großen Krieg, der alles veränderte.«
Er ergriff Margons gesunde Hand.
»Ich habe euch von dem Krieg erzählt«, sagte er eindringlich. »Aber ihr wisst nicht alles darüber. Ihr Temari habt die Alte Welt, wie sie war, bevor die Herren des Chaos verbannt wurden, nie gekannt – weil ihr erst danach erschaffen wurdet. Es waren die Serephin, die eure Rasse erschufen und euch Leben einhauchten.«
Für einen Moment hielt der Elf inne, doch niemand sprach ein Wort. Die drei Erwachsenen und die beiden Kinder standen reglos um ihn herum.
Arcad holte tief Luft.
»So, jetzt ist es heraus. Die Serephin sind die Schöpfer der menschlichen Rasse. Das Blut, das durch eure Adern fließt, ist das Blut Carnarons, des erschlagenen Kriegers aus den Reihen der Herren des Chaos.«
Margon blickte Arcad erschüttert an. Das also war es, was dem Endar so schwer gefallen war, zu erzählen! Es klang unglaublich, aber war es weniger glaubhaft, als von einem dieser Wesen aus der Dämmerung der Zeit als Geisel genommen worden zu sein?
Enris lachte auf, ein schrilles und einsames Geräusch an diesem unwirklichen Ort.
»Was?«, rief er laut.
»Es ist, wie ich sage«, beteuerte Arcad und ließ die Hand des Magiers wieder los. Seine Stimme klang nun nicht mehr ganz so rau und erschöpft. Wieder erinnerte er Margon an den anderen Geschichtenerzähler, den er einst gekannt hatte, und der Die Stimme Runlands genannt worden war. Das Reden hatte Callis scheinbar mehr belebt als gutes Essen und der stärkste Branntwein. Arcad war zwar bei weitem schwieriger dazu zu bewegen, sein Wissen zu teilen, aber hatte er erst mit dem Reden angefangen, schien er aus demselben Holz geschnitzt.
»Ihr wollt uns erzählen, dass Euer Volk ...«, begehrte Enris auf.
»Unsere Vorfahren«, unterbrach Arcad ihn ruhig.
»Also gut«, fuhr Enris fort. »Eure Vorfahren sollen die Menschen erschaffen haben? Das ist der unglaublichste Unfug, den ich je gehört habe!«
»Unglaublicher als der Ort, an dem wir uns hier befinden?«, gab Arcad zurück. »Unglaublicher, als die Welt von Runland verlassen zu haben, mit einem einzigen Schritt durch ein Portal? Unglaublicher, als hier inmitten der Sterne in einer magischen Sphäre gefangen zu sein?«
Enris öffnete den Mund, schwieg dann aber.
»Mein Junge, du weißt wirklich nichts von dem, wozu unser Volk einst fähig war. Das Quelor hier ist nur ein Bruchteil der Magie, die unsere Vorfahren lenkten, als sie noch in ihrer wahren Gestalt zwischen den Sternen wandelten.«
Der Blick des Elfen verlor sich in der Ferne, in der tiefen Schwärze, die nur von den schimmernden Punkten ferner Sonnen durchbrochen wurde.
»Nachdem der Krieg zwischen den beiden Göttergeschlechtern geendet hatte, war nichts mehr wie zuvor. Das Gleichgewicht der Magie hatte eine massive Störung erfahren. Für unser Volk war es viel schwerer geworden, seine Fähigkeiten anzuwenden. Einer von uns namens Oláran, ein Serephin aus der Stadt des Feuers, fasste die Absicht, mit einigen Verbündeten, die keine Angst vor den Herren der Ordnung hatten, die Verbannten zurückzuholen. Chaos und Ordnung sollten wieder ins Gleichgewicht kommen, so wie es vor dem Großen Krieg gewesen war. Doch die Macht der Serephin allein hätte nicht gereicht, um den
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