Runlandsaga - Sturm der Serephin
lag im Licht der Nachmittagssonne, die noch hoch genug stand, um unmittelbar über die Mauern zu scheinen. Das Gelände war verlassen, jedenfalls vorerst und gemessen an dem kleinen Ausschnitt, den Baram von seinem Versteck aus erkennen konnte. Vorsichtig zog er wieder den Kopf ein. Seine Beine begannen allmählich ob des langen, reglosen Stehens heftig zu schmerzen. Er bückte sich langsam, so weit es der enge Raum zwischen dem Holzstapel und der Schuppenwand zuließ, und massierte seine Waden. Bei seiner Arbeit als Schmied hatte er zwar auch die meiste Zeit gestanden, aber zumindest war sie mit steten Bewegungen verbunden gewesen. Hier im Anbau neben seiner Schmiede auf ein und derselben Stelle ausharren zu müssen, erwies sich als erheblich anstrengender.
Er bemühte sich, keine lauten Geräusche zu verursachen, während er sich die Beine rieb. Der Innenhof mochte von seiner Warte aus menschenleer sein, aber er hatte ihn nicht völlig im Überblick. Wer konnte sagen, ob die Kerle, von denen die Wachleute getötet worden waren, nicht plötzlich im Eingang zum Schuppen auftauchen würden?
Baram massierte seine Waden, bis ihn die gebückte Stellung dazu zwang, sich wieder aufzurichten und den Rücken durchzustrecken. Er stöhnte, ein Geräusch, das in dem stillen Raum erschreckend laut erklang, und schloss, verärgert über seine Unachtsamkeit, sofort wieder den Mund. Er war um Jahre zu alt für solche Versteckspiele! Außerdem war dies kein Spiel. Der tote Valgat am Eingang zur Festung war so wirklich gewesen wie ein Faustschlag ins Gesicht. Der arme Kerl! Er hatte ihn nicht so gut gekannt wie die anderen Wachleute, aber wann immer der Mann Dienst in der Meeresburg geleistet hatte, waren sie sich begegnet. Bei allen Geistern, wenn das nicht reichte, um Schmerz über seinen Tod zu verspüren! Von den zwölf Silbermünzen, die Valgat ihm noch wegen eines Würfelspiels schuldig gewesen war und die er nun nie zurückbezahlen würde, einmal ganz abgesehen.
Dass Baram ausgerechnet heute ein Arbeitswerkzeug entzweigegangen war, hatte ihm wohl auf verrückte Weise das Leben gerettet. Er hatte den größten Teil des Vormittags in der Schmiede zugebracht, wo er ein paar neue Hufeisen für Callan angefertigt hatte, einen Pferdezüchter aus Andostaan, der all seine Tiere bei ihm beschlagen ließ. Während der Arbeit hatte sich das Gelenk der Zange gelöst, mit der man das heiße Eisen packte, um es in den Bottich mit Wasser neben dem Amboss zu tauchen. Einen Fluch zwischen den Zähnen zermahlend, hatte Baram vorsichtig die losen Griffe der Zange festgehalten und das Eisen im Wasser versenkt. Er war in den Schuppen neben der Schmiede gelaufen, wo er weiteres Werkzeug aufbewahrte. Die Zange, die ihm auseinander gegangen war, hatte er später wieder zusammenfügen wollen. Er war gerade wieder aus dem Schuppen getreten, als er mit Entsetzen gesehen hatte, wie ein Unbekannter am Eingang zum Innenhof Valgat von hinten die Kehle durchschnitt. Noch während der Wachmann zu Boden sank, kamen weitere Fremde mit Schwertern in den Händen aus dem Durchgang gelaufen. Glücklicherweise hatte niemand von ihnen in seine Richtung geblickt. Geistesgegenwärtig war er wieder in den Schuppen zurückgesprungen. Von seinem Versteck hinter dem Holzstapel aus hatte er Valgats Mörder beobachtet. Der Mann hatte auf die anderen Unbekannten eingeredet. Allerdings war Baram zu weit entfernt gewesen, um etwas von der Unterhaltung zu verstehen.
Dann hatte er, regungslos verharrend und alle Muskeln im Körper schmerzhaft angespannt, Schritte am Eingang und im Schuppen gehört, die nach kurzer Zeit wieder verklungen waren. Anscheinend hatte einer der Fremden den offensichtlich leeren Raum nur oberflächlich durchsucht und war wieder gegangen.
Im Halbdunkel an der Wand lehnend, den Holzstapel vor sich als Deckung, fragte der alte Schmied sich verzweifelt zum wohl hundertsten Mal, seitdem er sich in den Schuppen geflüchtet hatte, ob er irgendetwas hätte tun können, um den Tod der Wachleute zu verhindern. Aber was? Dass sie alle tot waren, stand für ihn fest. Er hatte zwar bloß Valgats Leiche gesehen, aber sie konnten nur tot sein. Die Wachen hätten diese Fremden, die einen der ihren umgebracht hatten, niemals frei in der Festung herumlaufen lassen. Dass sie nicht in den Innenhof gestürzt kamen, um die Kerle festzunehmen, dass diese Mörder stattdessen seit Stunden in Carn Taar herumliefen, als wären sie die neuen Eigentümer der Festung, konnte nur
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