Runlandsaga - Sturm der Serephin
Lebendiges aus der Harfe herausgeschnellt war und ihn mit aller Macht erfasst hatte, wieder verschwunden, als wäre eine Tür zugeschlagen worden. Das schwarze Holz des Klangkörpers unter seinen Händen fühlte sich so leblos an wie der Boden, auf dem seine Füße standen.
Die entsetzliche Verlorenheit jedoch wühlte sich noch immer in sein Herz. Sie waren nicht mehr am Leben. Zwar hatte er weder Margons noch Thajas Leichnam gesehen, aber jene grausame Gewissheit hatte ihn so heftig durchfahren, als hätte er selbst mit angesehen, wie diese beiden einzigartigen Menschen für immer aus der Welt verschwunden waren, zwei weitere Kerzenflammen in der Höhle der Lebenslichter ausgelöscht!
Sein Blick begann zu verschwimmen. Er blinzelte die Tränen in seinen Augen fort und sah sich benommen um. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die Harfe noch immer festhielt. Dieses Hexending! Es war verzaubert! Was auch immer ihn gerade wie mit dem stärksten Hammer aus seiner Schmiede vor die Stirn geschlagen hatte, es musste von der Harfe ausgegangen sein!
Beinahe hätte er Syr wieder zu Boden geworfen, doch etwas in ihm sträubte sich dagegen, einen offenbar verzauberten und vielleicht gefährlichen Gegenstand grob zu behandeln. Und fühlte die Harfe sich nicht wieder völlig harmlos an?
Seine Finger strichen über den Klangkörper. Hartes, trockenes Holz, keine Spur von Wärme oder Lebendigkeit, nicht schien anders als bei so vielen Musikinstrumenten, die er auf Festen gesehen und gelegentlich in den Händen gehalten hatte. Wenn nicht die entsetzliche und durch keine Vernunft zu erschütternde Gewissheit in ihm rumort hätte, dass der Magier und die Heilerin tatsächlich tot waren, so hätte er glauben können, dass er am helllichten Tag im Stehen eingeschlafen war wie ein sabbernder Dorftrottel.
Baram atmete tief durch, ergriff die an der Harfe befestigten, ledernen Schulterriemen und schlang sich Syr über den Rücken. Das Instrument war wertvoll, und es stellte eine Erinnerung an die beiden Menschen dar, die hier gelebt hatten. Er würde es nicht diesen Verbrechern überlassen. Der Rat der Stadt würde schon wissen, was mit dem seltsamen Ding geschehen sollte.
Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ er den Raum im Eilschritt und betrat erneut die Wendeltreppe des Turms. Er hatte bereits viel zu viel Zeit vertan. Hoffentlich hielten die Kerle sich immer noch im Inneren des Bedienstetentrakts auf!
Als Baram wieder den Eingangsraum der Schwarzen Nadel erreichte, lag der Innenhof noch genauso verlassen vor ihm, als wäre erst ein kurzer Moment verstrichen, seit der alte Schmied ihn überquert hatte. Erst jetzt fiel ihm die geöffnete Falltür zum Keller auf. Mitten im Schritt hielt er inne. Margon und Thaja waren tot, das fühlte er als Gewissheit in seinem Herzen, aber was war mit den beiden Männern und den beiden Kindern? Hielt man sie vielleicht dort unten fest? Sollte er nachsehen, ob es eine Möglichkeit gäbe, ihnen zu helfen?
Doch diesmal obsiegte die Stimme der Vernunft in ihm. Sie trieb ihn an, seine Flucht nicht länger hinauszuzögern, nur um an Ende ein paar weitere leere Räume vorzufinden. Die beste Hilfe, die er den anderen bescheren konnte, bestand darin, Verstärkung zu holen.
Im Vorbeigehen warf er einen langen Blick auf das dunkle Loch zum Keller, regelrecht hoffend, es würde im letzten Moment vor seinem Hinaustreten aus dem Turm doch noch etwas von dort ausgehen, das ihn dazu veranlassen könnte umzukehren, ein plötzlicher Lichtschein, ein Ruf ...
Aber falls jemand tatsächlich dort unten war, ließ nichts dies erkennen.
Baram trat ins Freie. Seine Augen suchten den Eingang und die Fenster des Bedienstetentrakts ab. Niemand war in Sicht.
Mit schnellen Schritten hastete er über den Hof, bemüht, seine Stiefel keinen zu großen Lärm auf dem Steinpflaster verursachen zu lassen. Die Muskeln in seinen Oberschenkeln stachen schmerzhaft bei jedem Auftreten. Mit dem Nachmittag war vom Meer her ein frischer Wind aufgekommen, der die erste wirklich warme Frühlingsluft dieses jungen Jahres wieder etwas abgekühlt hatte. Baram achtete nicht darauf. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt dem Durchgang zum Festungseingang. Er sah, dass an dessen fernem Ende Dunkelheit herrschte, und sein Herz begann, noch heftiger in der Brust zu schlagen. Diese Dreckskerle! Sie hatten die Zugbrücke hochgezogen und damit den Eingang nach Carn Taar versperrt! Er hielt inne und atmete schwer keuchend aus. Dass er gerade auf dem
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