Runlandsaga - Sturm der Serephin
ich hab schließlich lange genug in dieser verrückten Welt ausgehalten. Sich jetzt einfach schlafen zu legen und erst wieder im Sommerland aufzuwachen – was wäre daran so schlimm?
Aber er lief weiter, Schritt für Schritt, Majas Gesicht vor ihm, das am Ende seiner Straße auf ihn warten würde, wann immer die Herrin des Schicksals entscheiden sollte, dass es Zeit für ihn wäre, sich endlich auszuruhen.
23
Tolvane blickte durch das geschlossene Fenster im Arbeitszimmer seines Hauses zum Mond hinauf, der mit Beginn der Dämmerung sichtbar geworden war und nun wie eine bleiche Frucht über der Bucht hing. Seine eigenen Gesichtszüge spiegelten sich schwach in der Glasscheibe und überlagerten das im Schwinden begriffene Himmelslicht. Dabei kam ihm der Gedanke, dass er wohl ebenso blass aussehen mochte. Er war noch nicht lange von dem Fieber genesen, das ihn von den letzten Tagen des Winters bis zum Beginn des Frühlings ans Bett gefesselt hatte. Erst gestern war er zum ersten Mal aufgestanden und hinter dem Haus im Küchengarten herumgelaufen. Der Ausflug hatte nicht lange gedauert – zu erschöpft waren seine Beine schon nach kurzer Zeit gewesen, aber zumindest hatte er einen Anfang gemacht. Seine Hand, die den Becher mit dem angewärmten Wein hielt, griff fester zu, und sein Blick wandte sich vom Fenster ab, um das dunkel schimmernde Getränk zu betrachten. Er trank einen tiefen Schluck, dann drehte er sich zu seinen Besuchern um, denen er den Rücken zugewandt hatte.
»Was ihr mir erzählt habt, ist wirklich ungeheuerlich!«
Enris, der ihm gegenüberstand, fand die Bemerkung des alten Mannes keineswegs übertrieben. Tolvane sah sehr besorgt aus. Das war gut. Er hatte schon befürchtet, dass man ein paar aufgeregte Leute, die in ihren schmutzigen und durchnässten Kleidern wie Bettler aussahen, hier in der besseren Gegend der Stadt nicht besonders ernst nehmen würde. Doch dieser Ratsherr hatte sie sofort empfangen und seinen Hausverwalter angewiesen, ihnen trockene Sachen zu bringen, die sie nun am Leib trugen. Sogar Kleidung in der Größe für die beiden Jungen war ihnen gebracht worden – woher, konnten sie nur vermuten. Vielleicht hatte der Mann selbst Kinder, wenngleich sie auf ihrem Gang durch das weitläufige Haus niemanden sonst angetroffen hatten.
Unmittelbar nachdem sie aus den Höhlen am Strand herausgekommen waren, hatten sie sich auf den Weg zu Tolvane gemacht. Sie hatten sich nicht einmal Zeit genommen, die beiden Kinder zu ihren Eltern zu begleiten, sondern waren sofort alle zusammen zu Tolvanes Haus gegangen, in der Hoffnung, umso glaubwürdiger zu erscheinen, je mehr sie waren. Ihre Wahl war auf den alten Mann gefallen, weil Enris sich daran erinnert hatte, wie Themets Vater am Vorabend erwähnt hatte, ihn aufsuchen zu wollen. Der Ratsherr würde daher über die Fremden bereits Bescheid wissen. Und tatsächlich hatte er sie nicht abgewiesen.
»Die Männer, von denen ihr sprecht, sind also diejenigen, die gestern Arvids Sohn entführten«, fuhr Tolvane fort.
Themet stand hinter Enris. Die ganze Zeit während Arcads Bericht hatte er den Boden angestarrt, ohne ein Wort zu verlieren. Nun blickte er kurz auf, als der Ratsherr ihn erwähnte.
»Wie ich Euch schon berichtet habe«, sagte der Elf, »geht es hier um weit Schlimmeres als eine vereitelte Entführung oder darum, dass diese Männer die Wachen ermordet und die Festung in ihre Gewalt gebracht haben.« Enris entging nicht der ungeduldige Unterton in Arcads Stimme. Selbst in seinem momentanen Zustand, mit wirr auf der Stirn klebendem Haar und schmutzigem, zerschrammtem Gesicht, das beinahe noch fahler aussah als das des alten Ratsherrn, war er eindeutig als Endar erkennbar, ein Erstgeborener, dem die Wege der Temari oft zu langsam und zu verhaftet in Kleinigkeiten erschienen. Enris erinnerte sich daran, dass ihm dieser Wesenszug anfangs wie Überheblichkeit erschienen war, und wie er den Elfen deswegen verabscheut hatte. Doch nun empfand er selbst dieselbe Ungeduld und war langer Erklärungen überdrüssig. Die Zeit saß ihnen drängend im Nacken.
»Wir reden vom Vorstoß einer fremden Rasse nach Runland!«, fuhr Arcad eindringlich fort. »Wir haben das Portal unter der Festung gesehen. Wir waren dort – und sogar auf der anderen Seite! Während wir uns hier unterhalten, wimmelt es in Carn Taar vielleicht schon von Serephinkriegern. Die Bewohner von Andostaan müssen gewarnt werden. Sie sind hier nicht mehr sicher!«
Tolvane starrte
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