Runlandsaga - Sturm der Serephin
um.
Wie war er hierher gekommen?
Sein Blick richtete sich im Laufen auf die riesigen weißen Säulenbögen über der Stadt, auf den Punkt hoch über ihm, an dem sie sich trafen.
Ich habe das hier von oben gesehen!
Und er erinnerte sich.
Dies war nicht sein eigentlicher Körper, in dem er um sein Leben rannte! Er hatte die Entfernung mit seinem Geist zurückgelegt, unendliche Meilen weit fort von seinem anderen Selbst – er war bei der Flucht nicht an Beine gebunden.
Das wütende Fauchen seiner Verfolger rauschte in seinen Ohren, lauter und lauter. Moranon wagte es, einen kurzen Blick über die Schulter zu werfen, obwohl eine Stimme in ihm laut aufschrie, sich nicht ablenken zu lassen und weiter nach vorne zu sehen, um nicht zu stolpern oder gegen ein Hindernis zu rennen. Er mochte zwar nur in einem Abbild seines Körpers stecken, dennoch konnte er in dieser Welt bestimmt genauso über einen Stein stolpern, wie er eben von einer der schwarzen Gestalten mit hartem Griff festgehalten worden war.
Er sah, dass ihm seine Verfolger dicht auf den Fersen waren. Die Säume ihrer Roben wehten um ihre Beine wie die Schwingen großer Vögel. Doch keiner der Gestalten wehte beim Laufen die Kapuze vom Kopf. Eine gesichtslose schwarze Gruppe, so hasteten sie hinter ihm her. Sie hatten bereits beängstigend schnell aufgeholt. Ihr heiseres Zischen schwoll siegesgewiss an.
Moranon blickte wieder nach vorne und verdoppelte seine Anstrengung, Abstand zwischen sich und die Verfolgerschar zu bringen.
Von oben! Du bist von oben gekommen, erinnere dich! Du bist geflogen!
Dicht hinter ihm keuchte etwas heiß in seinen Nacken. Ohne sich umzudrehen, wusste er, dass diejenige der Gestalten, die ihm am nächsten war, zum Sprung ansetzte, um ihn zu Fall zu bringen.
Gleichzeitig blitzte in ihm das Bild des leeren Platzes auf, wie er ihn von oben gesehen hatte. Im selben Moment wurde sein Geist emporgerissen. Sein Körper schien durchsichtig zu werden, zu verschwinden. Erneut bestand er plötzlich nur noch aus zwei Augen, die das weiße Häusermeer von oben sahen und mit Schwindel erregender Geschwindigkeit auf die roten Wolken über ihm zurasten.
Hinter ihm schwollen die Stimmen zu einem wütenden Heulen an. Es dröhnte durch Moranons Denken wie der eisige Griff der Angst, im letzten Augenblick doch noch gefangen zu werden, und weigerte sich, ihn loszulassen.
Dann jedoch wich es langsam zurück, wurde allmählich leiser und trat schließlich völlig in den Hintergrund wie das Summen eines weit entfernten Insektenschwarms.
Wieder blitzten Sterne über Sterne an Moranon vorbei, wieder war er selbst ein Stern, ein leuchtender Punkt, der durch die Schwärze des Alls reiste, wieder hing das dunkle Tuch des Himmels über ihm.
Er war ihnen entkommen, wer auch immer sie gewesen sein mochten.
Seine Angst legte sich. Sie hatten ihn nicht gefasst. Er zog weiter seine Bahn, ein Licht, das sich durch die schier endlose Nacht an unzähligen anderen Lichtern vorbeibewegte.
Dann spürte er etwas Hartes an seinem Hinterkopf.
Er lag auf kaltem Stein. Über ihm schimmerten die Sterne in der Dunkelheit. Gerade noch war er einer unter ihnen gewesen, einer ihrer Art.
Die Kälte der Steinplatten kroch in seinen Körper. Fröstelnd streckte er die Glieder, dann setzte er sich auf.
Er befand sich auf einem Söller des Turmes. Seines Turmes. Wann immer er Margons Körper hinter sich ließ und zu Moranon, dem Schattenwanderer, wurde, kam er hierher. Der Turm war er selbst, jeder Raum darin ein Raum seines Geistes.
»Willkommen zurück!«, sprach eine Stimme.
Moranon begann zu lächeln. Er war erleichtert, Myrddins Stimme zu vernehmen. Die letzten Überreste seiner Angst verschwanden und verwandelten die schwarzen Gestalten, die ihn verfolgt hatten, zu reglosen Bildern seiner Erinnerung.
»Diesmal war es eine lange Reise«, erwiderte er.
»In der Tat«, pflichtete Myrddin ihm bei.
Wie bei allen Gelegenheiten zuvor, wenn Margon zu Moranon geworden war, blieb das Wesen, das ihn eben angesprochen hatte, unsichtbar. Der Schattenwanderer kannte es nur als eine Stimme in seinem Verstand. Als er zum ersten Mal auf der Suche nach dem Wissen um die Verborgenen Dinge seinen Körper verlassen hatte, war es Myrddin gewesen, der ihm den Eintritt zum Turm seines Geistes gewährt hatte. Er hatte sich ihm als sein Lehrer offenbart. Wenn er Moranon in all der Zeit, die sie sich kannten, auch kaum etwas über sich selbst verraten hatte – weder, wer ihm den Namen
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