Runlandsaga - Sturm der Serephin
verlassen würde, jemals erhoffen konnte. Wer zur See fuhr, dem stand die Welt offen, selbst wenn es nicht der eigene Kahn unter den Füßen war. Die See, das war die Welt.
Und die kalte, klamme Hand des Todes. Das ist sie auch, trotz ihrer Schönheit und ihrer Weite. Du weißt es. Du hast es gesehen.
»Was stehst du denn noch rum?«
Teras‘ Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
»Wenn du den Abschied vom Landleben feiern willst, dann beeil dich besser! Vielleicht hab ich ja Glück, und wir stechen morgen ohne dich in See, weil du erst noch deinen Rausch ausschlafen musst.«
Nun war es Daniro, der grinste.
»Darauf würd ich nicht hoffen, Bootsmann.«
Der Alte starrte ihn missmutig an.
»Ich behalt dich im Auge, Kleiner! Heute lass ich dir deine Frechheit durchgehen. Aber morgen gehörst du zur Mannschaft, und dann werd ich sehen, ob nach sieben Jahren an Land noch immer ein Seemann in dir steckt.«
Daniro erwiderte darauf nichts mehr, sondern machte, dass er von Bord kam. Während er über den Steg ging, dachte er darüber nach, ob er tatsächlich tun sollte, was Teras ihm geraten hatte. Vielleicht würde ihm ein Abschied von Andostaan im Schwarzen Anker oder den Drei Krügen ganz gut tun. Er war hier aufgewachsen, und die letzten Jahre waren wie eine Rückkehr an einen vertrauten Ort gewesen.
Kurz bevor er die Treppe an der Hafenmauer wieder hinaufstieg, drehte er sich ein letztes Mal nach der Suvare um, doch sein neues Zuhause lag im Dunkeln. Nur das Licht der Laternen schwebte über dem Wasser. Die Tjalk war so unsichtbar wie der neue Tag und alles, was dieser mit sich bringen würde.
8
Die Sonne war längst untergegangen, als Margon den Blick vom Turmfenster abwandte. Finsternis hatte sich über das ferne Wasser gelegt. Einige Austernfischer waren vor ihr landeinwärts geflohen. Der Himmel war weiterhin bedeckt und verhüllte die Aussicht auf die Sterne. Noch wenige Tage zuvor hatte der Mond voll und rund am Himmel gehangen, aber heute war er bis auf einen matten Schein, der durch den Wolkenvorhang drang, nicht zu sehen.
Schritte näherten sich. Jemand erklomm die Trittleiter in den höchsten Raum der Schwarzen Nadel. Margon, der auf der Fensterbank saß, wandte sich um und sah Thaja durch die Öffnung im Boden klettern.
»Bist du die ganze Zeit hier oben gewesen?«, fragte sie.
Er nickte. Ein wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen.
»Ich habe mich in der Vergangenheit verloren«, sagte er.
Thaja trat neben ihn ans Fenster. Es war das einzige in der Turmspitze, und es zeigte nach Westen. Für diejenigen, die in der Festung arbeiteten, war es das Sonnenuntergangsfenster. Margon hatte dort das Sulamsauge aufgestellt, denn nirgends weit und breit konnte man besser die Sterne betrachten.
»Es ist Arcad, nicht wahr?«, fragte sie, auf das Meer hinausblickend.
»Ay, es ist der Elf«, erwiderte Margon. Er stand von seinem Platz an der Fensterbank auf und legte den Arm um Thaja.
»Ihn zu sehen, hat mich an eine Menge Dinge erinnert. Wie ich einmal war, bevor ich dich traf. Bevor ich ein Magier wurde.«
»Als du noch ein Harfner warst?«
Margon nickte.
»Lass uns nach unten gehen. Hier wird es langsam sehr kalt.«
Er schloss den Fensterladen und stieg die Trittleiter hinab. Thaja folgte ihm. Zusammen gingen sie in den Raum, der ihnen als Arbeits- und Schlafzimmer diente. Dort waren die Fenster bereits vor der Kälte der Nacht verriegelt. Thaja hatte ein Feuer im Kamin entzündet. Margon rückte einen mit braunem Leder bezogenen Sessel, der hinter dem Schreibtisch gestanden hatte, an das Feuer, wo schon ein zweiter stand. Thaja und er setzten sich.
»Ich weiß auch nicht, was all das Gegrübel über die Vergangenheit soll«, sagte Margon in die Stille hinein, die nur durch das Knacken der Scheite im Feuer unterbrochen wurde.
»Ich bin nicht unzufrieden mit dem Leben, das ich geführt habe. Es war meine Entscheidung, damit aufzuhören, mir den Lebensunterhalt mit dem Harfenspiel zu verdingen. Als ich Myrddin in den Geistwelten zum ersten Mal traf, da wusste ich, dass das Wissen um die Verborgenen Dinge immer nach mir gerufen hatte. Ich war damals nur nicht in der Lage gewesen, seine Stimme zu verstehen. Es war so, als hätte mich das Harfespielen all die Jahre nur darauf vorbereitet, mit dem Zauber dieser magischen Harfe, die Arcad mir schenkte, in die Geistwelten vorzudringen und meinen Turm zu finden.«
Er schwieg eine Weile.
»Aber du denkst manchmal daran, wie dein Leben verlaufen
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