Runlandsaga - Sturm der Serephin
die auf der Platte lagen, nicht bei hohem Seegang zu Boden fielen. Es war eine Einrichtung, wie man sie nur auf Schiffen finden konnte. Kleinigkeiten wie diese machten deutlich, dass man sich nicht mehr an Land befand. Plötzlich kamen Daniro wieder die langen Nägel in den Sinn, die der Khor des ersten Schiffes, auf dem er angeheuert hatte, in den Tisch seiner Kajüte hatte schlagen lassen. Dieser Mann hatte sich besondere Becher anfertigen lassen, die in der Mitte einen dünnen Hohlraum besaßen, sodass man sie auf die Nägel stellen konnte und sie dadurch selbst bei hohem Seegang nicht umkippten. Bei hohem Seegang. Wenn die schweren Brecher über das Deck schlugen. Wenn ...
»Alles in Ordnung?«
Er schrak hoch.
»Was?«
»Ich hab dich gefragt, ob alles in Ordnung ist. Du stehst schon die ganze Zeit da wie festgewachsen, anstatt dich endlich hinzusetzen.«
Der Khor führte die Pfeife an den Mund und nahm einen kräftigen Zug. Sein Gesicht lag noch immer in den Schatten. Daniro runzelte die Stirn. Irgendetwas war eigenartig an dem Mann. Er konnte nicht sagen, was. Aber diese Stimme ...
Er verwarf das Grübeln und nahm auf dem freien Stuhl vor dem Tisch Platz.
»Du willst also mit uns segeln.«
»Ay, so ist es.«
»Dein Name?«
»Ich heiße Daniro.«
Der Khor nickte.
»Gut, Daniro. Ich habe gerade ein wenig von dem gehört, was Teras dich gefragt hat. Dasselbe frage ich dich jetzt auch. Wenn du darauf nicht antworten willst, ist das deine Entscheidung, und ich schätze Männer, die nicht gleich klein beigeben. Deswegen bist du auch immer noch hier, statt weggeschickt worden zu sein. Allerdings musst du auch mit den Folgen deiner Entscheidung leben. Ich werde niemanden auf meinem Schiff mitfahren lassen, der mir möglicherweise unangenehme Überraschungen bereiten könnte. Ich kann Überraschungen nicht ausstehen. Haben wir uns verstanden?«
»Ay, ich habe verstanden«, erwiderte Daniro gepresst.
»Also, wie sieht deine Entscheidung aus?«
Daniro holte Luft. Er hatte geahnt, dass es darauf hinauslaufen würde. Verdammt, warum konnte eigentlich nichts im Leben einfach sein? Aber andererseits – der hier war ein Fremder, jemand, der ihm in einem halbdunklen Raum gegenübersaß, ein Schatten unter so vielen anderen Schatten. Warum nicht ihm erzählen, was ihm auf der Seele lag – einer gesichtlosen Gestalt? Genauso gut konnte er zu einer Wand reden, und reden wollte er doch eigentlich. Aussprechen, was geschehen war, bevor die Stimmen seiner Erinnerung lauter und lauter schreien würden, solange, bis ihm eines Tages der Kopf platzte.
»Es ist so«, begann er, »ich bin seit sieben Jahren nicht mehr auf See gewesen, weil ... weil das letzte Schiff, auf dem ich gefahren bin, unterging.«
Der Khor der Suvare schwieg. Daniro betrachtete dies als Zeichen dafür, dass er fortfahren sollte.
»Es war die Nesvaal aus Tasath. Wir waren auf dem Weg nach Tirona, um dort Robben zu fangen. Ein Sturm drängte uns gegen ein Riff vor der Nordküste. Das Schiff sank. Das Wetter war so schlimm, dass es niemand von uns auf die Insel schaffte.«
Anfangs hatte Daniro schnell geredet, als müsse er so schnell wie möglich eine lästige Pflicht hinter sich bringen. Er bemerkte kaum, dass er allmählich langsamer wurde.
»Die Strömung zog mich immer weiter raus auf die offene See. Ich hatte Glück, dass ich ein Stück Treibholz zu fassen bekam – es war das Dach des Deckaufbaus, ein Ding, so breit wie ein Floß. Ein paar Tage trieb ich auf dem Meer, bis mich schließlich ein Walfänger aus Dorsingal fand und rettete.«
Er hielt inne. Sein Gegenüber schwieg noch immer.
Und mehr muss er auch über das, was damals passiert ist, nicht wissen , raunte eine Stimme in seinen Gedanken. Das andere bleibt am besten für immer vergessen.
»Als ich wieder zurück nach Tasath kam, erfuhr ich, dass ich der Einzige war, der den Untergang der Nesvaal überlebt hatte. Alle anderen waren im Meer geblieben. Alle zwanzig Mann. Seitdem ... ich war nie wieder auf einem Schiff seitdem. Ich habe im Hafen gearbeitet, in der Werft. Hab geholfen, Schiffe zu überholen.«
»Aber jetzt willst du wieder auf einem Schiff anheuern. Warum?«
Daniro blinzelte verwirrt. Da war sie wieder, die Stimme des Khors, an der irgendetwas eigenartig schien.
»Ich weiß auch nicht«, gestand er. »Vielleicht, weil ich allmählich das Land satt hab. Fast die Hälfte meiner Tage hab ich auf den Planken von Schiffen zugebracht. Das kriegt man einfach nicht so
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