Runlandsaga - Sturm der Serephin
Moment ein Mann von der Stadtwache um die Ecke biegen würde. Sein Vater war unglaublich wütend geworden, als der Wachmann ihn zu Hause abgeliefert hatte.
Ist es das, was du vom Leben willst ? hatte er Sareth angeherrscht, nachdem er ihm den Hintern versohlt hatte, bis seine eigene Hand dick angeschwollen war. Andere bestehlen, bis sie dich irgendwann erwischen? Meine Arbeit ist dir wohl zu langweilig, was?
Einen Lidschlag lang war Sareth versucht gewesen, laut »Und ob!« zu rufen. Natürlich war das Töpfern langweilig, und die Vorstellung, eines Tages den Laden zu übernehmen, empfand er als erdrückend. Aber wenngleich ihn die Tracht Prügel nicht besonders schmerzte, war er nicht sicher, ob sein Vater nicht noch heftiger zuschlagen würde, wenn er ihn verspottete.
So war der Alte gewesen, ehrlich und mit Grundsätzen. Wie er diesen selbstgerechten Kerl gehasst hatte! Vor allem deshalb, weil er gefürchtet hatte, selbst dereinst genauso zu werden, ein Arbeiter, der nur zu feige war, sich das zu nehmen, was er wollte, und diese Feigheit hinter seinen Grundsätzen versteckte. Und wohin hatten sie seinen Vater gebracht? Ein paar Jahre später hatte ihn ein wohlhabender Händler aus dem Geschäft gedrängt. Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als die Töpferei zu verkaufen. Der spärliche Erlös hatte nicht dafür gereicht, um an einem anderen Ort neu anzufangen, aber er genügte, um sich eine Weile zu betrinken und zu vergessen, dass diese Welt sich einen Dreck um Ehrlichkeit und Grundsätze scherte. Dann hatte seine Frau ihn verlassen. Sareth, der inzwischen ebenfalls fortgelaufen war und sich einer Bande von jungen Burschen in seinem Alter angeschlossen hatte, die nachts Sol unsicher machten, hatte lange nichts mehr von ihm gehört, bis er eines Tages fast über ihn gestolpert wäre.
Er hatte keine Trauer verspürt, als sein Vater vor ihm auf dem Boden hockte, verstreute Kartoffelschalen um sich herum und das Gesicht von seinem erwachsenen Sohn abgewandt, kein Mitleid, keine Wut auf das ungerechte Schicksal, dem es egal war, ob sich jemand an die Regeln hielt oder nicht. Das Einzige, was er gefühlt hatte, waren Verachtung und eine tiefe Befriedigung gewesen. Er hatte Recht gehabt. Wenn man in diesem Leben etwas wollte, musste man es sich nehmen. Sareth war versucht gewesen, das betrunkene Wrack zu seinen Füßen zu fragen, ob es jetzt wohl gern etwas von dem Geld besitzen würde, das sein Sohn damals dem Straßenhändler gestohlen hatte.
Da, wo du inzwischen bist, ist es egal, woher es kommt, wenn es dir nur was zu trinken kauft, hatte er gedacht.
Die Welt stank. Und nun hatte sein Vater denselben Gestank angenommen.
Sareth hatte sich umgedreht und war gegangen.
Er wusste nicht, was aus seinem Vater geworden war, ob er noch lebte oder mittlerweile in irgendeiner dunklen Ecke der Stadt im Rausch das Totenboot bestiegen hatte. Kurze Zeit nach jener Begegnung hatte er Sol den Rücken gekehrt. Vielleicht lag der Umstand, dass ihm dieser Ort zum Hals heraushing, an dem Wissen, dass sein Vater in der gleichen Stadt wie er selbst auf der Suche nach etwas zu trinken durch die Gassen schlurfte. Sareth hatte auf einem Handelsschiff, der Parina , angeheuert, zusammen mit Mirad. Auf demselben Schiff hatten sie Toron und Doran kennen gelernt, die ebenfalls aus Sol stammten und zum ersten Mal auf See arbeiteten. Sareth, der Älteste der vier, schlüpfte bald in die Rolle des Anführers, denn der Bootsmann der Parina wandte sich an ihn, wenn er etwas von den grünen Jungs wollte, die noch nie zuvor zur See gefahren waren.
Im Laufe mehrerer Jahre hatten sie beinahe jede Hafenstadt von Runland bereist, doch wirkliche Seeleute waren sie nie geworden. Ihr eigentliches Geschäft fand in verrauchten, dunklen Hafenkneipen statt, wo sie Glücksspiele veranstalteten, mit Schmuggelware hehlten oder sich für gutes Geld als Handlanger anwerben ließen.
Auf diesem Weg hatten sie auch ihren letzten Auftraggeber kennen gelernt. Ein paar Tage zuvor waren sie in Andostaan eingetroffen, an Bord der Nordwind , die von Hallarn aus an der Westküste Runlands entlang nach Felgar gesegelt war, und die nach Andostaan als Nächstes Menelon anlaufen würde. Es war ihnen allen ganz recht gewesen, Hallarn den Rücken zu kehren. Sie hatten sich dort, ohne es zu ahnen, mit ein paar Kerlen angelegt, die der Meinung gewesen waren, dass alle Glücksspiele in dieser Stadt über sie zu laufen hätten. Nachdem Sareth mit zwei von ihnen den
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