Runlandsaga - Sturm der Serephin
flüsterte eine Stimme in seinem Inneren, dass er gerade verdammtes Glück gehabt hatte. Toron, dieser Schwachkopf, hatte die Nerven verloren und war mit einer linkisch gestammelten Entschuldigung vorgeprescht. Nun würde Toron Ranárs Unmut zu spüren bekommen, nicht er. Sareth hoffte nur, dass dieser unheimliche Mann es damit bewenden lassen würde. Er nahm sich vor, kein Wort zu sagen, solange Ranár ihn nicht ansprechen würde, egal, was geschehen mochte.
Ihr Auftraggeber hob seine freie Hand und warf die Kapuze seines Umhangs zurück. Kurzgeschnittene schwarze Haare schimmerten matt im Licht einer Laterne, die auf der anderen Seite der Mauer an einer im Boden verankerten Stange befestigt war. In dem trüben Schein hatte sich das Blau von Ranárs Augen in zwei dunkle Punkte verwandelt, die den Mann, den er festhielt, bohrend musterten.
Sareth musste unwillkürlich an eine Katze denken, die stundenlang mit ihrer Beute spielen konnte. Ranár besaß wie Toron ungewöhnlich helle Haut, besonders gemessen an seinen dunklen Haaren, doch hier endete die Ähnlichkeit der beiden auch schon.
Im Gegensatz zu Sareths Kumpan besaß ihr Auftraggeber weiche, fast weibliche Gesichtszüge, die einen scharfen Kontrast zu seinem stechenden Blick bildeten. Seine vollen Lippen öffneten sich etwas zu einem breiten Lächeln, während er gleichzeitig Toron mit einer Hand herumschwenkte und dann den Arm ausstreckte, sodass der junge Mann mit einem Mal über dem Hafenbecken baumelte, nur gehalten durch sein Obergewand, an dessen Kragen Ranár ihn festhielt. Toron schrie auf. Seine Beine zappelten und fanden keinen Boden.
Sareth stand da wie in die Erde gerammt. Sein Mund hing weit offen, aber es fiel ihm nicht auf. Das war unmöglich! Woher hatte dieser Mann solche Kraft? Toron war ein ausgewachsener Mann, und Ranár hatte ihn gepackt und hielt ihn mit einem Arm über die Mauer, als wäre er nicht schwerer als ein kleiner Hund!
» Du wirst ihn bestimmt nicht mehr finden«, sagte Ranár leise. »Du hast schon einmal versagt, und auf den Kratzer, den du ihm verpasst hast, gebe ich einen Dreck.«
Plötzlich erschlaffte Toron in Ranárs Griff wie eine Puppe, deren Fäden an den Gliedmaßen durchtrennt worden waren. Sein Blick irrte kurz zu Sareth, doch dieser verharrte mit angehaltenem Atem. Gewiss, es war sein Kamerad, den dieser Wahnsinnige sich gerade vornahm, dennoch würde Sareth keinen Finger für ihn rühren. Mit jemandem, der einen ausgewachsenen Mann einfach hochhob und sich ohne angestrengte Miene mit ihm unterhielt, als säßen sie gemeinsam in einer Schenke an einem Tisch, war nicht zu spaßen. Sareth war nicht lebensmüde, aber trotzdem ... sein Freund ...
»Es tut ... mir Leid«, keuchte Toron. Panik verzerrte sein Gesicht. Ranár sah ihn immer noch freundlich an.
»Du wiederholst dich«, sagte er. »Es muss dir nicht Leid tun, denn weißt du, der gute Sareth hier wird sich genau ansehen, was mit dir geschieht, und ich bin sicher, es wird ihn sehr anspornen, euren Fehler von heute Abend wieder gutzumachen.«
Torons Mund öffnete sich bei den letzten Worten ihres Auftraggebers. Er fing an zu weinen. Für Sareth hörte es sich an wie das Jaulen eines Hundes, den man in einer dunklen Kammer eingeschlossen hatte.
»Du siehst also«, fuhr Ranár ungerührt und mit unverändert sanfter Stimme fort, »jedes Ding unter der Sonne hat seinen Nutzen. Sollte uns das nicht alle mit Dankbarkeit erfüllen?«
Seine freie Hand schnellte empor und ergriff Torons Kopf. Der junge Mann schrie laut auf, dann hörte Sareth ein trockenes Knacken, bei dem ihm übel wurde. Er würgte mehrmals mit abgewandtem Gesicht, doch es gelang ihm, seinen Mageninhalt unten zu behalten. Als er wieder zu Ranár schaute, hing Toron mit zur Seite gedrehtem Kopf an dessen ausgestrecktem Arm. Seine offenen Augen starrten zum Nachthimmel empor. Nun war er wirklich zu einer Puppe ohne Fäden geworden. Sareth schluckte erneut und verspürte einen Ekel erregend sauren Geschmack im Hals.
Ranár ließ Torons Körper abrupt los. Mit einem dumpfen Klatschen schlug er auf dem Holzsteg unterhalb der Mauer auf. Als Sareths Auftraggeber sich ihm einen Schritt näherte, wich er verängstigt zurück.
»Keine Sorge«, beruhigte ihn Ranár. »Was für einen Sinn hätte es, wenn ich dir jetzt etwas täte? Wie ich schon sagte, ich wollte nur dir und deinen beiden Freunden einen Ansporn geben, es beim nächsten Mal besser zu machen.«
»Beim ... beim nächsten Mal?«, stieß
Weitere Kostenlose Bücher