Runlandsaga - Wolfzeit
Magierin, ich kenne mich mit diesen Dingen nicht aus. Womöglich spüren wir erst dann etwas, wenn alle vier Wächter verschwunden sind.«
»Das möge die Träumende verhüten!«, rief Enris. »Dann wird es zu spät sein, um die Serephin daran zu hindern, diese Welt zu vernichten.«
»Dann lass uns nicht weiter über etwas grübeln, auf das wir ohnehin keinen Einfluss haben«, gab Suvare zurück. »Machen wir uns lieber auf den Weg zum Ratsturm. Wir haben eine Aufgabe, schon vergessen? Wenn wir verhindern wollen, dass die Serephin auch die drei übrigen Wächterdrachen töten, dann müssen wir das Portal zur Welt der Dunkelelfen auf den Arcandinseln finden.«
Als hätte er nur auf ihren letzten Satz gewartet, riss Themet in diesem Moment Suvares Kabinentür auf und polterte an Deck. Er hatte sich den Rucksack seines Vaters übergeworfen und schien bereit, sofort an Land zu gehen. Enris konnte ihm seine Neugier nicht verdenken. Auch er hatte sich schon seit dem Aufwachen gefragt, ob die Flüchtlinge aus Andostaan wohl inzwischen endlich die Stadtgrenze erreicht haben mochten.
Suvare beschloss diesmal, Teras mitzunehmen, und ließ Daniro als einzige Wache an Bord zurück. Der junge Mann nahm ihre Entscheidung ohne mit der Wimper zu zucken an. Enris fand, dass Daniro den Gedanken, nicht an Land gehen zu dürfen, inzwischen bei weitem besser ertrug. Vielleicht war er stolz darauf, dass Suvare ihm keinen Aufpasser zur Seite stellte, sondern darauf vertraute, dass er auf seinem Posten blieb.
Zu viert verließen sie die Tjalk und gingen über das Hafengelände zum Altstadtviertel, dessen breite Hauptstraße sie wie am Tag zuvor hügelan zum Ratsturm führte.
Wenn Enris erwartet hatte, dass in der Stadt nach der durchgefeierten Vellardinnacht am frühen Vormittag nicht viele Menschen auf den Beinen wären, dann wurde er nun eines Besseren belehrt. Menelon summte und brummte bereits wieder geschäftig wie ein Bienenschwarm.
Suvare schien dasselbe zu denken wie er. »Wann schlafen die eigentlich mal?«, brummte sie, während sie sich an den zahlreichen Menschen auf der Straße vorbeischob und mit jedem Moment, an dem ihr beinahe jemand auf die Füße trat, grimmiger dreinblickte.
Weder Enris noch Teras antworteten. Themet hatte sie gar nicht gehört. Er war bereits vorausgelaufen und hinter einem der zahlreichen Verkaufsstände, die seit Tagesanbruch die Hauptstraße blockierten, verschwunden. Marktschreier brüllten den Vorbeigehenden ihre Angebote zu, Käufer feilschten laut mit Händlern um jede noch so billige Ware. Wie in allen Hafenstädten roch es stark nach Fisch, doch hier mischte sich noch ein anderer Duft dazu: der von frisch gebratenem Wild. Die Stadt war eine Eingangspforte zum Roten Wald. Wenn dieser auch nicht direkt vor den Toren lag, so nahmen doch die meisten Jäger und Fallensteller ihren Weg über Menelon. Nilan auf der anderen Seite des nördlichen Waldgebietes besaß keinen Hafen, der sich mit diesem oder dem von Andostaan vergleichen ließ, deshalb bestimmten hier immer wieder in Leder gekleidete Männer mit Packeseln voller Felle das Stadtbild. Oft genug brachten sie frisch erlegte Beute mit. Auch heute hatten bereits am Vormittag mehrere Stände auf dem Markt ihre Feuerstellen angefacht.
Enris lief im Vorbeigehen das Wasser im Mund zusammen. Etwas harter Käse und trockenes Brot waren kaum das, was er sich unter einem anständigen Frühstück vorstellte. Zuhause in Tyrzar und später bei Larian in Andostaan hatte er besser gegessen. Aber seit seiner Flucht aus der brennenden Stadt war ein gutes Essen auf seiner Liste der Dinge, die er für wichtig hielt, ziemlich weit nach hinten gerutscht. Erst jetzt, nach mehreren Tagen, an denen er sich von dem nicht gerade abwechslungsreichen Vorrat der Suvare ernährt hatte, begann ihm beim Anblick und dem Duft des gewürzten Grillfleisches der Magen zu knurren, und das, obwohl seine letzte Mahlzeit nicht lange her war. Seufzend hielt er den Blick geradeaus und ging etwas schneller.
Schließlich hatten sie den Kamm der Anhöhe erreicht, auf der die Stadtmauer das Gelände des Ratsturms umschloss. Erregtes Stimmengewirr scholl ihnen schon von weitem entgegen, lauter als der Lärm auf dem Markt.
»Schaut doch!«, schrie Themet vor ihnen und fing schneller zu laufen an.
Diesmal stand das eiserne Tor weit offen. Eine Menschenmenge drängte sich vor dem Eingang. Auch direkt hinter dem Tor auf dem Platz vor dem Holzgebäude, aus dessen Mitte der Turm
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