Runlandsaga - Wolfzeit
stellvertretend für all meine anderen Brüder und Schwestern der Ordnung hierher nach Vovinadhar kam – seit langer, langer Zeit wieder einmal, um euch für die Erfolge zu beglückwünschen, die ihr im Kampf gegen die Rebellen aus Olárans Kreis erzielt habt. Mit eurer Hilfe konnten wir ihre Schützlinge, von denen uns eine so große Gefahr droht, endlich aufspüren. Die Zeit der Entscheidung ist nah. Unsere Gegner wissen dies auch. Mir wurde zugetragen, dass Oláran endlich wieder einmal sein Gesicht gezeigt hat. Erst vor kurzem war er hier in Vovinadhar, in der Stadt des Feuers.‹«
»Ist das wahr?«, fuhr Manari auf.
»Ich habe ihn selbst gesehen«, gab Cesparian zurück. »Unser Orden war gerade dabei, die letzten Vorbereitungen für den geplanten Einmarsch in Runland zu treffen. Wir rechneten damit, bald von dir zu hören. Da tauchte der Verräter mitten in unserer Versammlung auf. Er besaß das Aussehen eines grauhaarigen alten Temari, aber eine der Wächterstatuen erkannte ihn sofort und schlug Alarm. Du weißt, dass diese Statuen in direkter Verbindung zu Melar stehen. Deshalb erfuhr er sofort von dem Vorfall.«
»Ich nehme an, er ist euch entkommen, richtig?«, fragte Alcarasán. »Wenn uns unser größter Gegner in die Hände gefallen wäre, würde in Vovinadhar noch heute gefeiert.«
Cesparian verzog unwillig den Mund. »Ich hatte ihn fast eingeholt, da verschwand er durch das Stadtportal. Heute glaube ich, dass er nicht mit seinem eigentlichen Körper in Gotharnar war. Melar war deswegen aber nicht verärgert. Er trat vor mich hin, sah mir direkt in die Augen und sagte: ›Quäle dich nicht, Cesparian, weil der Verräter dir entkommen konnte. Er spielt keine Rolle mehr. Viel wichtiger ist, dass ihr Sturmkrieger einen Weg in die Welt unserer Feinde gefunden habt: Ihr seid meine Speerspitze, die ich in das Herz einer lang gejagten Beute treiben werde.
Die meisten von euch waren noch nicht geboren, als wir den Krieg gegen unsere Brüder und Schwestern des Chaos führten und sie in die Leere zwischen den Welten stießen. Deshalb werdet ihr euch vielleicht fragen: Warum dieser Aufwand? Warum haben unsere Herren, die Älteren Götter, so lange Äonen damit zugebracht, jene Rasse zu finden, die aus dem Blut des größten Chaoskriegers erschaffen wurde?
Ich werde es euch sagen. Wir taten dies alles, weil wir nicht zulassen können, dass Olárans Haustiere irgendwann so mächtig werden, dass sie unsere Verwandten aus dem Abyss befreien. In der neuen Welt, die wir und auch ihr erschufen, ist kein Platz mehr für die Chaosgötter. Wenn sie nach Marianna zurückkämen, dann würde deren Ordnung aus den Fugen geraten. Sie sind die Auflösung und Vernichtung all dessen, was ihr jemals gekannt habt. Eure Erinnerungen und Errungenschaften hätten vor ihrer Gewalt soviel Bestand wie ein dürrer Baum in einem Wirbelsturm.
Vergesst dies niemals, wenn ihr nun auszieht, um eine Welt namens Runland zu vernichten. Es ist keine leichte Aufgabe, jene zu töten, denen eure Vorfahren einst das Leben schenkten. Noch dazu haben einige der Älteren von euch einst die Temari in den Kriegen gegen die Maugrim verteidigt. Aber es muss sein. Haltet euch vor Augen, dass selbst die Maugrim euch letztendlich näher sind als dieses Sklavenvolk, das unsere Lebensweise bedroht.‹«
»Das hat er gesagt?«, wunderte sich Alcarasán. »Nach all dem Leid, das die Maugrim uns zufügten?«
»Sprich nicht gegen den Jäger!«, erwiderte Manari scharf. »Du verstehst nicht, was er damit sagen wollte, aber ich denke, dass ich weiß, was er meinte. So verhasst uns die Maugrim auch sein mögen, so sind sie dennoch wie wir. Sie gehören zu denen, die von den Göttern als Erste erschaffen wurden, bevor es noch irgendetwas anderes gab als sie selbst und Cyrandiths Traum. Doch die Temari sind unsere Geschöpfe. Wir gaben ihnen Leben, und nun nehmen wir es ihnen wieder.«
Kühl blickte sie Alcarasán in die Augen. Ein Schauer durchlief seinen geschuppten Körper, als er sie mit ihrem letzten Satz laut aussprechen hörte, was er noch vor wenigen Tagen selbst überlegt hatte. Einmal mehr war er davon überzeugt, dass er wirklich seine Schwester vor sich hatte.
»Wir alle schworen Melar unsere Treue«, fuhr Cesparian fort. »Dann machten wir uns auf den Weg hierher.«
Ein Schatten zog über sein Gesicht. Angestrengt rang er um Fassung. Alcarasán und Manari spürten, dass ihm seine toten Kameraden vor Augen standen. Er richtete sich auf. »Wir
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