Runlandsaga - Wolfzeit
nah an den dichten Pulk heranwagten. Denn immer wieder brach das sich nur langsam in die eine oder andere Richtung bewegende Gedränge ohne jede Vorwarnung auf. Dann setzten die Spieler in wilden Sprüngen demjenigen hinterher, dem es gelungen war, mit dem Ball in seinem Besitz auszubrechen. Wer nicht schnell genug zur Seite wich, wurde von der Meute umgestoßen oder überrannt und hatte Glück, wenn er nur Prellungen oder gebrochene Rippen abbekam. Für gewöhnlich bildete sich nach solchen Vorstößen schnell wieder ein weiterer Haufen, und das Geschiebe und Gedränge begann von Neuem. Vor allem die schmaleren Straßen und engen Gassen verwandelten sich dann in Flaschenhälse, die alle Spieler zwischen ihren Mauern wie Korken festgepfropft hielten.
Das Gebrüll der Zuschauer dröhnte Pándaros in den Ohren. Das Atmen fiel ihm schwer, vor seinen Augen tanzten schwarze Flecken. Plötzlich leuchtete neben ihm etwas Helles auf. Das lange, blonde Haar kannte er!
»Kommt mit!«, zischte Gersan. »Macht kein Aufsehen!«
Pándaros rempelte dem Mann zu seiner Linken grob den Ellbogen in die Seite, um von Gersan Abstand zu gewinnen. Der Mann stieß einen überraschten Schrei aus und wandte sich ihm zu, so dass er Gersan nun im Weg stand. »Heh, spiel sauber!«, schimpfte er wütend und gab Pándaros einen Stoß. Der Priester flog gegen einen schwarzhaarigen jungen Mann, der mit einem schnellen Blick seine Robe musterte und ihm etwas Schweres in die Hände drückte. »Los, Fiscari!«, murmelte er, kaum hörbar. »Für den Hafen!«
Pándaros glotzte auf den Gegenstand in seinen Händen: eine Kugel mit einer Haut aus gefärbten Lederflecken, rot, braun und schwarz, mit groben Stichen zusammengenäht.
Es war der Yarn!
Er beugte sich über den Ball, um ihn so gut wie möglich vor den Blicken der anderen zu verbergen. Zum Glück war es in dem dichten Geschiebe und Gewühl selbst für diejenigen, die genau neben dem jeweiligen Besitzer des Yarn standen, nicht immer zu erkennen, wer den begehrten Schatz gerade in den Händen hatte.
Mit eingezogenem Kopf versuchte er sich aus dem Pulk herauszudrücken. Sein Verstand, der sich eben noch um Luft ringend an die Oberfläche des Malrastranks gestrampelt hatte, um etwas Klarheit zu gewinnen, versank bereits wieder in den Tiefen seines Rauschs.
»Für den Hafen«, hatte sein Fiscarikamerad gesagt. Ay, er würde für den Hafen kämpfen, wie es sich für jeden gehörte, der im Süden von T´lar lebte und am Yarnspiel teilnahm! Er war nicht mehr Pándaros der Priester oder Pándaros, der von den Mächten der Finsternis verfolgt wurde – jetzt war er Pándaros der Yarnspieler, auf dem die Hoffnungen seiner Mannschaft ruhten.
Er würde sie nicht enttäuschen!
Er hatte sich fast aus dem Haufen herausgearbeitet, als bemerkt wurde, was er bei sich führte. Schreie wurden laut. Hektische Finger griffen nach dem Yarn, aber Pándaros hielt seine Beute fest und rempelte sich frei. Die zum Friedhof führende Straße lag vor ihm.
Er rannte los, den Ball fest umklammert. Gleichzeitig erhob sich hinter ihm ein donnernder Lärm. Im Laufen wandte er seinen Kopf und sah, dass die meisten Männer in eine Seitenstraße stürmten. Jemand hatte vorgetäuscht, den Yarn zu besitzen, und war aus dem Pulk ausgebrochen, um auf diese Weise für eine Ablenkung zu sorgen. Vielleicht war es sogar der Fiscari gewesen, der ihm den Yarn in die Hände gedrückt hatte.
Nur eine Handvoll Leute preschte ihm unbeirrt hinterher. Ob Gersan oder Halkat darunter waren, konnte er in der Eile und seinem berauschten Zustand nicht erkennen. Pándaros lachte laut auf, während er weiterlief. Was kümmerte es ihn schon, wer ihm folgte? Zu schön war es, den kühlen Wind über sein erhitztes Gesicht streichen zu fühlen und die hämmernden Tritte seiner Schuhe auf dem Kopfsteinpflaster zu vernehmen. Die Häuser zu seiner Rechten und Linken, deren Fenster wegen des Yarnspiels verbarrikadiert worden waren, sausten an ihm vorbei. Er rannte nicht, er flog! Er war der Held dieses Vellardinfestes! Da sollte noch mal einer sagen, die T´lar-Priester taugten mit ihren Roben nicht zum Rennen! Die hatten eben ihn noch nicht erle...
Jemand rempelte ihn von hinten an, so dass er stolperte und der Länge nach hinfiel. Erneuter Schmerz durchfuhr seine Hüfte, diesmal noch stärker als bei seinem Sprung vom Treppenabsatz. Der Yarn fiel ihm aus den Händen und rollte noch einige Fuß weiter über die holprigen Steine. Während er sich
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