Runlandsaga - Wolfzeit
benommen aufzurappeln versuchte, rannte eine Gestalt an ihm vorbei, um sich den Ball zu greifen. Pándaros sah sie nur als dunklen Schatten, denn seine Kapuze war ihm durch den Fall ins Gesicht gerutscht und verdeckte fast gänzlich seine Augen. Doch noch bevor sich die Gestalt bücken konnte, stürzte sich eine Zweite auf sie und nahm sie in den Schwitzkasten.
Der Priester kam wieder auf die Beine und griff sich mit schmutzigen, aufgeschürften Händen den Ball.
»Schnell, renn weiter!«, keuchte der Mann und hielt den anderen fest. Es hätte keiner Aufforderung bedurft; Pándaros war bereits in vollem Lauf. Hinter sich hörte er die Schritte der Verfolger; nun schwoll auch der Lärm der Yarnspieler und ihrer Begleiter erneut an. Offenbar war der größte Teil der Männer umgekehrt, nachdem bemerkt worden war, dass sie einer Finte aufgesessen waren.
Pándaros hätte nicht sagen können, wann er jemals in seinem Leben so gerannt war. Er fühlte sich wie der leibhaftige Wind. Sein unheimliches Erlebnis im Haus des Händlers, seine Verfolgung durch Gersan und Halkat hatte er völlig vergessen. Er musste diesen Yarn über die Friedhofsmauer werfen, das war das Ziel seines Daseins, und sein Dasein war das Spiel.
Vor sich bemerkte er ein breites, dunkelgrünes Band aus Eiben, die Umfriedung des Stadtparks, der an den Friedhof grenzte. Ohne dass sein Verstand etwas dazu tat, lenkten seine Beine ihn zum Eingang, einem steinernen Torbogen in der Hecke. Haken schlagend rannte er um Gruppen von Kirschbäumen und gedrungenen Rosensträuchern, eine Meute von johlenden Spielern und Zuschauern anziehend, die ihm wie ein Strom voll bunten Treibguts über den Rasen folgte und mit jedem Augenblick näher zu ihm aufschloss.
Täuschte er sich, oder wurde er jetzt sogar angefeuert?
»Prie-ster! Prie-ster! Prie-ster!«, rief die Menge.
Die brüllende Welle, auf deren Kamm er ritt, trug ihn bis zur grauen Nordgrenze des Parks, dem Ziel seines Laufs. Plötzlich, auf den letzten Metern, die ihn von der hohen Steinmauer trennten, bohrte sich ein heftiger Stich in seine Brust. Wie ein abgefeuertes Geschoss, das nicht in der Lage war, die Bahn seines Flugs abzuändern, prallte er mit seiner Schulter gegen den harten Granit, und sackte nach Luft ringend zusammen. Den Ball hielt er noch immer umklammert. Sein Blick suchte seine Verfolger. Zwei von ihnen, die ihm am nächsten auf den Fersen waren, näherten sich ihm von zwei Seiten einer riesigen Eiche, an der er eben vorbeigekommen war. Eine war eine Frau mit kurzen, blonden Haaren. Ihrem hochroten Gesicht mit den hervorquellenden Augen zufolge musste sie schon seit Beginn des Spiels in vorderster Reihe mitgelaufen sein. In früheren Zeiten war die Teilnahme am Yarnspiel nur Männern erlaubt gewesen, aber seit einigen Jahren rannten auch immer wieder Frauen in der Menge der Spieler mit. Pándaros vermochte nicht zu sagen, ob sie eine Fiscari war, oder eine Bu´ura, die versuchen würde, ihm den Yarn wieder abzunehmen. Die beiden Mannschaften trugen keine bestimmten Farben, denn es wurde von allen Spielern erwartet, ihre Gegner auch ohne solche äußeren Merkmale zu kennen.
Aber der Priester achtete nicht weiter auf sie, als ihm der zweite Verfolger ins Blickfeld kam. Der verbissene Blick unter den kurzgeschnittenen weißen Stoppelhaaren hatte sich ihm ins Gedächtnis eingegraben.
Es war Halkat.
Wie eine Puppe, die von unsichtbaren Fäden geführt wurde, richtete sich Pándaros wieder auf. Der Schmerz in seiner Brust nahm zu. Er packte den Yarn fester. Die Frau schoss über den Rasen auf ihn zu. Schweißperlen flogen ihr von der Stirn. Sie streckte ihre Hände aus, ihren starren Blick auf den Ball geheftet.
Nicht einmal die Tiefe des Malrasrauschs ließ Pándaros übersehen, dass in Halkats Augen Mordlust zu lesen war. Er musste weglaufen, sofort! Aber das hätte auch bedeutet, das Spiel verloren zu geben, und das durfte nicht sein! In seinen Ohren dröhnten die Schreie der sich nähernden Zuschauermenge. Sie alle brüllten seinen Namen, die Stadt schaute auf ihn. Er war ein Yarnspieler! Er hatte den Ball bis hierher gebracht. So kurz vor dem Ziel würde er jetzt nicht aufgeben!
Ächzend riss er seine Arme hoch. Die Frau hatte ihn erreicht und griff nach dem Yarn, doch es war zu spät. Der Ball war bereits in der Luft. Die Spielerin sah ihm nach, ihr angespannter Mund öffnete sich zu seinem enttäuschten Ausruf, während sie mit Pándaros zusammenstieß, so dass sie beide zu Boden
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