Runlandsaga - Wolfzeit
wie ein angreifender Stier setzte er sich, den linken Fuß nachziehend, in Bewegung.
»Nicht!«, schrie Gersan. »Wir brauchen ihn lebend!«
Er schnellte herum, um Halkat den Weg zu versperren, aber dieser stieß ihn zur Seite. Der Händler prallte so heftig gegen die Tischkante, dass der Leuchter umstürzte und die Kerzen wachsspritzend über die Platte rollten. Mit gequälter Miene krümmte sich Gersan.
Der Priester rannte um den Tisch herum, Halkat stürzte ihm hinterher. Wieder fühlte sich Pándaros unter dem Einfluss des Malrastranks, als betrachtete er sich von außen, als sähe er sich mit den Augen eines anderen, dem eine spannende Geschichte erzählt wurde. Die Erzählung von einem Ordensmann, den die Schergen der Finsternis verfolgten, um ihn zu vernichten. Das Herz des Priesters schlug ihm bis zum Hals, aber gleichzeitig erregte ihn die Aufregung wie der nackte Körper einer Frau. Wie aus großer Höhe fiel sein Blick auf den Kessel zum Schmelzen der Wachsklumpen über der Feuerstelle. Er sprang auf sie zu. Als er auf seiner Flucht um den Tisch an ihr vorbeikam, streckte er im Laufen den Arm aus und packte die Kette, an der das schwere, gusseiserne Ding befestigt war. Mit einem Ruck riss er an ihr, so dass sie aus ihrer Halterung sprang, und rannte weiter um den Tisch, während der Kessel scheppernd in die Flammen fiel. Funken stoben in alle Richtungen. Das kochende Wasser spritzte in hohem Bogen heraus und traf Halkat, der den Priester schon fast erreicht hatte, an Beinen und Händen. Brüllend vor Schmerz sprang er zurück.
Pándaros hatte sich indessen seinen Rucksack vom Tisch gegriffen. Er warf ihn sich im Laufen über die Schulter und stieß die Tür auf, die in den Verkaufsraum führte. Überlaut hörte er das harte Pochen seines Herzens, und darunter, etwas leiser, dumpfen Lärm wie Geschrei aus einer Vielzahl von Kehlen, die sich alle gleichzeitig Gehör verschaffen wollten. Er fühlte sich so erschöpft, als hätte er Meilen im Laufschritt hinter sich gebracht. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle hingelegt, um über all die wirren Gedankenfetzen nachzusinnen, die durch seinen Verstand geisterten. Warum war er eigentlich so gerannt?
Wie vom Donner gerührt blieb er stehen.
Zwei gelbe Augen starrten auf ihn herab. Ein grinsender Rachen hatte sich geöffnet, um ihm das Gesicht abzubeißen. Wie ein fernes Echo seines Angstschreis vernahm er noch einmal die kalte, fremdartige Stimme, die aus dem Spiegel erklungen war.
Haltet den Temari fest!
Eine Hand packte ihn und riss ihn herum.
Halkat stand vor ihm. Sein Gesicht war eine blutverschmierte Fratze. »Jetzt mach dich auf was gefasst!«, knurrte er.
Er verpasste Pándaros einen Fausthieb in den Magen, dass diesem die Luft wegblieb. Die Beine des Priesters versagten ihm den Dienst. Der nächste Schlag traf sein Kinn. Er flog rückwärts durch den Raum und knallte mit dem Rücken gegen eine Wand. Der Schmerz jagte durch seinen Körper und vertrieb die Nebelschleier in seinem Verstand. Er sah den Raum um sich herum wieder ein wenig klarer, den Verkaufstresen, die Regale und den glotzenden Kaiman, der von der Decke herabhing und ihn so erschreckt hatte. Halkat hinkte auf ihn zu. Ein Messer blitzte in seiner Hand. Kurz hielt er stöhnend mitten in der Bewegung inne und rieb sich das verletzte Bein. Den schmerzenden Rücken an der Wand nach oben schiebend richtete sich Pándaros auf, um ihm auszuweichen.
Die Tür! Er lehnte nicht an der Wand, sondern an der Tür – der Tür nach draußen!
Seine suchenden Finger schlossen sich um die Klinke und drückten sie hinab. Die Tür öffnete sich. Der Lärm, der ihn begleitet hatte, seitdem er in den Raum geflohen war, wurde deutlicher. Lautes Johlen war zu hören. Halkat war zu Pándaros herangehumpelt. Er holte aus, um das Messer mit aller Wucht in den Rücken des Priesters zu rammen, der auf die Straße hinaustrat –
Da schwoll draußen das Stimmengewirr um ein Vielfaches an. Schreie ertönten. Stiefel polterten an der Tür vorbei, Mäntel bauschten sich auf. Eine Flasche zerplatzte klirrend auf dem Pflaster.
Verblüfft blinzelte Halkat auf die Straße. Der verdammte Priester war mitten in einen Pulk aus Leuten hineingestolpert, die ihn mit sich gerissen hatten!
Hinter ihm tauchte Gersan auf. »Wo ist er?«, fuhr er Halkat an.»Da hinten!«
»Was stehst du dann noch herum? Ihm nach!« Gersan packte ihn am Kragen. Zornig funkelte er ihn unter seinen wirr ins Gesicht hängenden Haaren an.
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