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Runlandsaga - Wolfzeit

Runlandsaga - Wolfzeit

Titel: Runlandsaga - Wolfzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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gewesen sein mochte, es beunruhigte ihn. So erleichtert und voller Freude er festgestellt hatte, dass er sie wiedergefunden hatte, so bedrückend deutlich wurde ihm nun bewusst, dass sie nicht mehr die Manari war, die er einmal gekannt hatte. Jene Manari hatte ihm den Rücken zugekehrt und war aus dem Haus gelaufen. Er würde nicht mehr dort weitermachen können, wo er zum letzten Mal mit ihr gesprochen hatte. Die Dunkelheit der Vergangenheit hatte seine Schwester für alle Zeiten verschluckt und würde sie niemals wieder preisgeben. Es blieb nur die Gegenwart, das Wesen vor ihm, so schmerzlich bekannt und dabei doch gleichzeitig so fremd wie jeder andere Krieger aus dem Kreis der Stürme. Selbst auf so alterslosen Wesen wie ihnen lastete der Fluch der Zeit, die unbeeindruckt von allem Treiben in allen Welten weiter voranschritt. Das Spinnrad der Träumenden kannte kein Halten.

10
    »Mach´s Maul auf!«
    Blitzschnell schlug Teras zu. Es klatschte laut, als seine Hand im Gesicht des gefangenen Piraten landete. Der Mann stöhnte leise auf, sagte aber kein Wort. Enris’ Hoffnung, dass sie diese unvermeidliche Befragung schnell hinter sich bringen würden, schwand.
    Eigentlich hätte er es wissen müssen. Immerhin schwieg Farran schon, seit Corrya ihn bei ihrer Flucht vor dem Wirbelsturm an den Weißen Klippen an Bord geschleppt hatte. Das Einzige, worauf er seitdem geantwortet hatte, war die Frage nach seinem Namen gewesen, kurz nachdem er im Bauch der Tjalk zu sich gekommen war. Und selbst dafür hatte Teras ihm erst einmal ein paar Ohrfeigen verpassen müssen. Enris bemerkte, dass er einen Anflug von leiser Bewunderung für den Gefangenen verspürte. Der Mann mochte kleiner und schmächtiger sein als er selbst, aber eines musste man ihm lassen: Er war ein zäher Hund.
    Teras schlug erneut zu, diesmal fester. Er beugte sich zu dem Piraten vor, der seinem Blick auswich. »Wir haben dich viel zu lange gut behandelt«, knurrte er. »Länger, als du´s verdient hast. Wenn´s umgekehrt wäre, dann würden uns schon längst die Fische fressen. Jeden von uns hättet ihr gefesselt über die Planke gehen lassen. Also zeig gefälligst mal ein wenig Dankbarkeit und spuck aus, was wir von dir wissen wollen!«
    Suvare, die neben dem Bootsmann im Schatten stand, verdrehte unbemerkt die Augen. Teras konnte einen Haufen von Seeleuten so zusammenschweißen, dass sie gemeinsam arbeiteten wie die Finger einer Hand. Aber mit Worten war er nie besonders treffsicher gewesen. Von einem gefesselten Gefangenen, der gerade eine Backpfeife nach der anderen einstecken musste, Dankbarkeit zu verlangen, ging ein gutes Stück übers Ziel hinaus.
    Sie hielt seinen Arm fest, als er gerade erneut ausholen wollte. Er richtete sich auf und blickte sie überrascht an. Enris bemerkte, dass Farran dies nicht entgangen war. Obwohl der Pirat seinen Kopf weiterhin gesenkt hielt, beobachtete er durch den Vorhang seiner strähnigen dunklen Haare genau, was zwischen den beiden vorging.
    »Las es gut sein«, sagte sie ruhig. »Wir versuchen etwas anderes.«
    »Was meinst du damit?« Der Alte klang gereizt. »Sollen wir ihm lieber was vorsingen? Oder ihm Landurlaub geben? Schließlich ist heute ja die Vellardinnacht ...«
    »Teras!«
    Der Bootsmann hatte schon seinen Mund geöffnet, um weiterzusprechen, doch er verstummte sofort. Enris war wieder einmal beeindruckt, wie gut Suvare ihre Leute im Griff hatte.
    »Ich weiß, das wird langsam zu einer lästigen Angewohnheit von mir«, sagte Suvare. »Erst bei Daniro, jetzt bei ihm. Aber es muss sein. Lass uns mit ihm alleine. Du hast ihn schon mürbe gemacht, den Rest übernehme ich. Geh an Deck und sieh dort nach dem Rechten. Heute Nacht wird die Stadt verrückt spielen, und ich will nicht, dass irgendwelche Betrunkenen an Bord kommen und herumrandalieren. Vor allem jetzt nicht.«
    Teras blickte zwar etwas enttäuscht drein, machte aber keine Anstalten, Suvares Befehl zu missachten. Vielleicht lag es daran, dass sie ihm in Aussicht gestellt hatte, etwaige Störer ins Hafenbecken zu befördern. Das schien eher eine Aufgabe nach dem Geschmack des alten Seebären zu sein. Ohne weitere Widerworte verschwand er in den Schatten des Mittelgangs zwischen den Kisten und Fässern der Ladung.
    Enris beschloss zu handeln, bevor Suvare es tat. Er fühlte sich unwohl, weil er vorgeschlagen hatte, Farran in die Zange zu nehmen. Heute Nachmittag an Deck hatte sich das wie ein guter Plan angehört, aber je länger er darüber

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