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Runlandsaga - Wolfzeit

Runlandsaga - Wolfzeit

Titel: Runlandsaga - Wolfzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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einer Frage, sondern nach einer nüchternen Feststellung. »Es war nicht eure Schuld, dass die Dinge außer Kontrolle gerieten.«
    »Ach ja, und wessen Schuld war es dann?«, rief Enris. »Die unseres Gefangenen? Klar! Warum hat er auch nicht brav mitgespielt, wie wir es von ihm verlangt haben!«
    Er hatte sich spöttisch anhören wollen, aber als er seine Worte vernahm, wusste er, dass er es bitter ernst gemeint hatte, und er hasste sich dafür. Seine Lippen waren nur noch ein Strich. Er schlug hart mit seiner Faust auf die Reling. »Dieser verdammte Narr und seine Piratenehre! Er hätte nur von Anfang an das Maul aufmachen müssen, dann wäre es nie soweit gekommen!«
    Neria musterte ihn aus ihren blutroten Augen so angespannt wie ein Raubtier auf der Jagd, während er hilflos in die Dunkelheit des Piers starrte. »Es ist dir schwergefallen, ihm Schmerzen zuzufügen«, sagte sie schließlich nachdenklich.
    »Du hättest damit bestimmt keine Schwierigkeiten gehabt, nicht wahr?«, gab Enris zurück. »Vielleicht hätten wir das Foltern besser dir überlassen sollen!«
    Neria ging auf seinen schneidenden Ton nicht ein. »Du hast es getan, weil es keine andere Möglichkeit gab. Du bist ein guter Mensch.«
    »Was?« Enris verstand nicht, was die Wolfsfrau von ihm wollte. War das ihre Art, sich über ihn lustig zu machen?
    »Du bist ein guter Mensch«, wiederholte Neria. »Deswegen hat der Endarin dich so nahe an sich herangelassen, dich in seine Pläne eingeweiht. Ich glaube, du hast keine Ahnung, wie selten die Erstgeborenen so etwas tun.«
    »Ich fühle mich nicht wie ein guter Mensch«, widersprach Enris. »Gerade jetzt nicht. Kein bisschen. Eigentlich ekle ich mich vor mir selbst.«
    »Komm!«, erwiderte Neria. »Ich hab noch etwas vom Abendessen übrig. Der Käse ist alt, aber man bekommt ihn herunter. Mit vollem Magen besitzt die Welt ein anderes Gesicht.«
    Enris fragte sich, weshalb die Wolfsfrau plötzlich nicht mehr so abweisend war wie noch wenige Stunden zuvor.
    »Wie kommt es, dass du dich mit den Erstgeborenen auskennst?«, fragte er, während er sich mit Neria zum Bug des Schiffes aufmachte.
    »Mein Volk weiß einige Geschichten über die Elfen. Diejenigen, die aus den Mondwäldern fortgingen, lebten einst im Norden. Unsere Ahnen bekamen sie nur selten zu sehen, aber es gab ein paar Voron, die Freunde der Erstgeborenen wurden. Was uns über das Elfenvolk überliefert wurde, wissen wir von ihnen.«
    Eine der Planken unter Nerias Füßen knarrte laut. Die Voronfrau wandte sich Enris zu, der mit seiner Öllampe in der Hand dicht hinter ihr stand, um ihr so gut wie möglich den Weg zu beleuchten.
    »Ich hab euch Menschen nie getraut. Meine Vorfahren mussten sich immer vor ihnen verstecken. Zuerst hab ich dich auch für einen dieser Heuchler gehalten. Aber du bist nicht so, das weiß ich jetzt. Du machst es dir nicht leicht. Du bist mehr wie ... wie einer aus dem Alten Volk.«
    Überrascht von dieser Offenbarung sah Enris sie an. Noch bevor er etwas erwidern konnte, drehte sich Neria wieder um und ließ ihn ohne ein weiteres Wort stehen. Sie verschwand in der Dunkelheit hinter dem Mast.
    Enris folgte ihr nach einem Moment des Zögerns. Ob die anderen Wolfsmenschen auch so waren wie sie – so direkt in ihrer Offenheit, dass es regelrecht weh tat, aber dabei gleichzeitig so verschlossen wie Muscheln im Schlick?
    Egal. Jetzt wollte er erst einmal etwas essen, wie Neria es ihm geraten hatte. Tatsächlich verspürte er großen Hunger. Später würde er zu Suvare und Themet in die Khorskajüte gehen. Er hatte nicht vor, sich mit ihnen weiter über das zu unterhalten, was eben im Bauch der Tjalk geschehen war. Er würde versuchen, den heutigen Abend zu einer Geschichte verblassen zu lassen, wie man sich Jahre später an sie erinnern mochte – ohne die Unmittelbarkeit und Schärfe eines schlimmen Ereignisses, das erst kurze Zeit zurücklag. Letztendlich würde es ihm nicht gelingen, das wusste er bereits.

11
    Kaum ein Fest im Norden war beliebter als Vellardin, der Frühlingsbeginn. Weiter südlich wurden in den Tempeln der großen Handelsstädte alle acht Feste des Jahresrades gefeiert: der Höhepunkt des Sommers und des Winters, die Tagundnachtgleichen und die uralten Erntefeste. Aber in Felgar, den Nordprovinzen und dem Wildland, hielten die Bauern vor allem die Riten der Sommer- und Wintersonnwende ab, die des Totenfestes im Spätherbst, und die Riten, die den Frühling begrüßten.
    Die während der strengen

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